Ötzi – 20 Jahre nach dem Fund sind noch etliche Fragen offen

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An einem Frühsommertag in der Kupferzeit: Ein drahtiger Mann ist vom Tal bis auf den Berggrat aufgestiegen, den die Tiroler heutzutage Hauslabjoch nennen und die Südtiroler mit Tisenjoch meinen. An einer versteckten Stelle zwischen den Felsen lässt er sich nieder, um zu rasten. 5.000 Jahre später, am 19. September 1991 wird seine Leiche, in Eis konserviert, von Erika und Helmut Simon bei einer Bergwanderung gefunden. Auch nach zwanzig Jahren intensiver Forschung birgt der Eismann noch Geheimnisse. Außerdem ist das Funddatum 19. September 1991 offenbar mit einem Fluch behaftet, weil mittlerweile sieben mysteriöse Todesfälle mit dem „Fluch des Ötzi“ in Zusammenhang gebracht werden.

Helmut und Erika Simon aus Nürnberg, haben am 19. September 1991 an der Grenze zwischen Tirol und Südtirol den Ötzi gefunden. Der älteste bekannte Kriminalfall der Geschichte, ein prähistorischer Mord, beschäftigt seitdem die Wissenschaftler und Forscher rund um den Globus. Bekannt ist bisher nur, dass Ötzi von hinten links von einem Pfeil, der die Hauptschlagader durchtrennte im Schulterblatt getroffen wurde. Karl Wendl, ein Journalist der „Wiener Arbeiterzeitung“ , hatte dagegen schon eine Woche nach dem Fund den Namen des Toten „ermittelt“: Ötzi – zusammengesetzt aus Ötztal und Yeti.

„Ötzi20“, heißt die Ausstellung der berühmtesten Leiche der Welt, die in Bozen im Südtiroler Archäologiemuseum, noch bis zum 15. Januar 2012 gezeigt wird. Dr. Angelika Fleckinger, die Museumsdirektorin, hat dazu den 160-Seiten-Bildband mit 150 farbigen Abbildungen zur ältesten erhaltenen Mumie der Welt herausgegeben. Das offizielle Begleitbuch zur umfassenden Dokumentation „Life, Science, Fiction, Reality – Ötzi20” berichtet über den Eismann zwischen Wissenschaft, Kult und Mythos. Knapp eine Viertelmillion Besucher pro Jahr pilgern zur Mumie, die inzwischen eine der wichtigsten Touristenattraktionen in Südtirol ist.

Eine neue, wissenschaftliche Rekonstruktion hat der weltbekannten Gletschermumie Ötzi ein Gesicht gegeben. Die aktuelle Darstellung des Eismannes vom Tisenjoch/Hauslabjoch, die auf Basis von 3D-Aufnahmen des Schädels sowie von Röntgen- und CD-Bildern geschaffen wurden, sind bei der Sonderausstellung mit dem Titel „Ötzi hoch 20“ in Bozen zu sehen. Für ihr neues Ötzi-Bild haben die niederländischen Künstler Andre und Alfons Kennis außerdem neueste Erkenntnisse aus der Forensik und Medizin eingesetzt. Von der Augenfarbe bis zur letzten Hautfalte: Ötzi sah demnach deutlich älter aus als ein heutiger Mitvierziger, seine Züge sind vom harten Klima und den Jahreszeiten gezeichnet.

Die Ausstellung dauert noch bis 15. Januar 2012 und zeigt neben neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auch Kurioses und Absurdes, wie esoterische Interpretationsansätze, originelle Vermarktungsideen und skurrile Blüten der Medienberichterstattung. Vier Etagen stehen jeweils unter einem der Themen: life, science, fiction und reality. Noch nicht zu finden ist dort die Zeitschrift „Der vordere Ötztaler“. Sehr gefragt war die Juni-Ausgabe des Kundenmagazins der Raiffeisenbank Vorderes Ötztal auch bei der Pressereise, weil im Magazin berichtet wird, dass die beiden britischen Forscher Mark Hempsell und Alan Bond mit der Veröffentlichung iher Theorie im Buch „A Summerian Observation of the Köfels’ Impact Event“ für großes Aufsehen gesorgt haben. Bei der Entschlüsselung der antiken Tonscheibe von Ninive haben die beiden Briten angeblich eine Verbindung zwischen Sodom und Gomorrha, den Köfler Bergsturz und Ötzi festgestellt. Vom 17. bis 22. Oktober dieses Jahres kommen die englischen Buchautoren zu einer Vortragsreihe ins Kurzentrum Umhausen.

Dazu passt der „Fluch des Ötzi“: Inzwischen werden sieben Menschen, die im Zusammenhang mit der Mumie standen, damit in Verbindung gebracht. Erika Simon, inzwischen Witwe, weil ihr Mann Helmut mit 67 Jahren, fünf Jahre nach dem gemeinsamen Ötzi-Fund, bei einer Bergwanderung am Gamskarkogel bei Salzburg ausgerutscht und 100 Meter tief abgestürzt ist, wird dieses Jahr auf das Tisenjoch/Hauslabjoch zurückkehren. „Zum 20-jährigen Jubiläum fliege ich in einem Hubschrauber hinauf. Es gibt dort eine Gedenkfeier. Das bin ich meinem Mann schuldig. Mein Gott, wäre der stolz“, sagt mir die 71-jährige Nürnbergerin beim Treffen im „Johanna“ in Umhausen/Tirol (siehe auch Mario’s Insidertipp), das sich offiziell als Ötzi-Gemeinde bezeichnen darf, wie uns Leopold Holzknecht von Ötztal Tourismus stolz berichtet.

Begonnen hat der „Fluch“ schon 1992, ein Jahr nach dem Ötzi-Fund. Gerichtsmediziner Rainer Henn (64), der maßgeblich an der Bergung der Leiche beteiligt war, verunglückte tödlich bei einem Autounfall – auf der Anreise zu einem Vortrag über den Eismann. Ein Jahr später starb Bergführer Kurt Fritz beim Sturz in eine Gletscherspalte. Zusammen mit Reinhold Messner hatte er den Abtransport der Mumie mit dem Hubschrauber organisiert. Der dritte Tote war der ORF-Reporter Rainer Hölzl (41), der die Ötzi-Bergung gefilmt hatte; er starb vor sieben Jahren an Gehirntumor. Nach Helmut Simon, über dessen Tod wir schon berichtet haben, starb Bergretter Dieter Warnecke (65), der sich an der Suche nach Simon beteiligt hatte, wenige Stunden nach der Beerdigung des Ötzi-Finders an einem Herzinfarkt. „Werde ich der Nächste sein?“ fragte Konrad Spindler (66), Professor für Ur- und Frühgeschichte der Universität Innsbruck scherzhaft, als er die Legende um den Ötzi-Fluch als „Medienhype“ eingestuft hatte; wenig später war er tot. Im selben Jahr 2005 starb Professor Friedrich Tiefenbrunner (63) während einer Herzoperation. Sein Tod sei völlig unerwartet gekommen, wurde damals ein Kliniksprecher zitiert. Tiefenbrunner war Leiter des Insituts für Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Innsbruck und hatte eine Methode entwickelt, Ötzi vor Bakterien und Pilzbefall zu schützen. Und er war im Team von Spindler.

Zurück ins Ötzi-Jubiläumsjahr 2011: Wir stehen am Tisenjoch/Hauslabjoch in 3.200 Meter Höhe zwischen Nord- und Südtirol und schauen von der hohen Steinpyramide hinunter zum Fundort der Gletschermumie, einem Mordopfer, wie der Schweizer Anatom Dr. Dr. Frank Rühli (Zürich) und der Pathologe Eduard Egarter erst sieben Jahre nach dem Fund festgestellt haben. Während Ötzi sich vor 5.300 Jahren auf der Flucht (?) den Berg hochgequält hat, sind wir acht Journalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, nicht den felsigen, steilen Weg hochgeklettert, sondern mit einem Helikopter hochgeflogen worden. Für mich bleibt es ein Rätsel, wie der Eismann auf der Flucht primitiv ausgerüstet, hier hochgekommen ist. Prof. Dr. Walter Leitner von der Universität Innsbruck, der uns auf der grenzüberschreitenden Pressereise als redseliger Informant zur Seite stand, ermittelt weiter.

Im Ötzidorf Umhausen dreht sich alles um die wohl spektakulärste Entdeckung in den Alpen: um den sogenannten Ötzi. Die Gletschermumie stammt aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. und machte das Ötztal mit einem Schlag berühmt. Auf archäologischer Untersuchung aufgebaut entstand schließlich in Umhausen das „Ötzidorf“, in dem die Besucher alles über das damalige Leben erfahren. Diese vorgeschichtliche Zeit – aufgrund der intensiven Forschungen weiß man heute, dass sich hier bereits 8.000 v. Chr. erstmals Menschen aufgehalten haben – kann man im Freizeitpark anhand von entsprechenden Nachbauten und Modellen in jene vorsintflutliche Zeit eintauchen.

Nach dem Fund des Ötzi stellte Prof. Dr. Walter Leitner von der Universität Innsbruck weitere Untersuchungen an. Er wies nach, dass es noch andere steinzeitliche Jägerstationen im Ötztal gab. Das beste Beispiel dafür ist der „Hohle Stein“ im Niedertal bei Vent auf 2.050 m und nur 10 Kilometer Luftlinie von der Ötzi-Fundstelle entfernt. Drei verschiedene Rundwanderungen in Umhausen starten bei der Kirche unweit des Hotels Johanna und sind nach 2,5 bis 4 Stunden zurückgelegt. Neben den umfangreichen Wandermöglichkeiten warten imposante Ausflugsziele auf Besuch. In einer sanft geschwungenen Talebene liegt das malerische Umhausen und auf einem Sonnenbalkon auf 1.500 Meter Seehöhe die dazugehörende Ortschaft Niederthai.

Wer sich ein echtes Naturschauspiel gönnen möchte, der kommt am Stuibenfall, Tirols höchstem Wasserfall, wohl nicht vorbei. Aus 159 Meter Höhe schießt das Wasser aus dem Felsen – ein immerwährendes Schauspiel. Der Wasserfall, der sich vor 9.000 Jahren diesen Abfluss suchte, ist von seinem Ursprung – vom hochalpinen Zwieselbach-, Larstig- und Grastalgletscher – bis zur Einmündung in die Ötztaler Ache via dem sogenannten Stuibenfall-Rundwanderweg begehbar, der übrigens mit dem Tiroler Bergwegegütesiegel ausgezeichnet wurde.Schnee und Eis konservierten über Jahrtausende hinweg den berühmtesten Wanderer der Meraner Berge: den Ötzi. Nur wenige Kilometer von seinem Fundort gedeihen Palmen und Zypressen und (nicht nur) Bergwanderer peilen das 25 Kilometer lange und von steilen Seitenhängen eingerahmte des Vinschgaus an. Hauptansiedlungen sind Karthaus mit dem Kreuzgang eines ehemaligen Kartäuserklosters sowie das idyllisch gelegene Katharinaberg. Eine stattliche Zwiebelturmkirche prägt das Bild im Marienwallfahrtsort „Unser Frau in Schnals“. Im angrenzenden Pfossental, ein ursprüngliches Seitental, ist reich an Wildtieren. Die Schönheit des Tals ist längst kein Geheimnis mehr. Vor allem an den Wochenenden wandern Urlauber zu den Almen inmitten der Berglandschaft der Texelgruppe hinauf. Last but not least hat Prof. Dr. Walter Leitner eine Idee, Ötzi und seine Lebensgeschichte den Menschen in aller Welt noch näher zu bringen: Er tüftelt an einem Ötzi-Musical.

Text: Ludwig Mario Niedermeier/MN-InfoText
Fotos: Herbert Grüner, MN-InfoText, Manfred Waldner, Tourismusverein Schnals

Informationen

Südtiroler Archäologiemuseum
I-39100 Bozen
Fon +39 0471 320114
Fax +39 0471 320122
www.oetzi20.it
www-iceman.it

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