Buchtipp der Woche (1)

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Michael Ziegelwagner: Café Anschluss. Als Österreicher unter Deutschen. Atrium Verlag; 18 Euro.

Wie viel ist geschrieben worden über die Differenzen zwischen den „Ösis“ und den „Piefkes.“ Michael Ziegelwagner hat auch was darüber geschrieben. Der gebürtiger Österreicher (St. Pölten) lebt seit Januar 2009, also seit zweieinhalb Jahren, von Berufs wegen in Frankfurt/Main. Er ist TITANIC-Redakteur und stellt in diesem Buch zahlreiche Vergleiche zwischen seiner Geburtsheimat und seiner Zwangsheimat an. Eine Wahlheimat ist es eher nicht. Schon die erste Bahnreise von St. Pölten nach Frankfurt beschert dem jungen Mann ein denkwürdiges Erlebnis, einen Dialog mit einer kulturbeflissenen älteren Dame, die aber nicht wirklich glauben kann, dass es einen Österreicher beruflich nach Deutschland verschlagen kann. Das fängt ja gut an, mag sich der junge Mann (Ziegelwagner ist Jahrgang 1983) gedacht haben.

Schwieriger wird es, wenn’s von der Kultur in die Politik wechselt. Da liegt es nahe, jenes Reizthema an den Anfang zu stellen, das uns aus gutem Grund bis heute beschäftigt. Adolf Hitler war gebürtiger Österreicher, groß geworden ist er – letztlich zum Unglück der ganzen Welt – aber in Deutschland. Michael Ziegelwagner hat für die nicht so recht funktionierende Verarbeitung dieses Kapitels deutscher Geschichte eine ganz eigenwillige Erklärung, der man den Satiriker anmerkt.

Manchmal freilich gerät ihm seine Schreibe aber schlichtweg präpotent, etwa, wenn er die kulinarischen Sitten seiner neuen Heimat Frankfurt/Main unter die Lupe nimmt: „Apfelwein riecht so, dass man ihn über den Salat gießen möchte. (…) Grüne Soße schließlich besteht aus hartgekochten Eiern, Kartoffeln und einer Grünen Soße. Grüne Soße würde mir schmecken, denke ich. Leider haben es die Hessen noch nicht geschafft, ihre Grüne Soße aufzuwärmen, sie essen sie kalt.“
Da schießt er übers Ziel hinaus. Denn: Grüne Soße ist nicht die Bezeichnung eines kompletten Gerichts, sondern einer Sauce. Und Aufwärmen ist bei einer Sauce, die zum Kaltverzehr bestimmt ist, ganz einfach nicht anzuraten. Man könnte ja auch versuchen, eine Portion Eiscreme anzubraten. Die Kartoffeln sind die Beilage zur Grünen Sauce und nicht ihr Bestandteil. Schließlich: Dass der Apfelwein geschmacklich am anderen Ende von z. B. österreichischen Apfelstrudel angesiedelt ist, nun ja – es lebe der kulinarische Pluralismus.

Das Café Anschluss übrigens gibt es in Frankfurt tatsächlich, als Internet-Café, das der Autor auch mindestens ein Mal aufgesucht haben muss. An menschlichem Anschluss jedenfalls scheint es ihm nicht zu fehlen, seine satirischen Betrachtungen beschränken sich rein auf Vergleiche der Kultur und der Lebensart. Wirklich unwohl dürfte der Ösi sich im Lande der Piefkes, ungeachtet seines satirischen Kulturvergleichs, also keineswegs fühlen. Und darauf kommt's wohl an.

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