Test-Tour: Ford Explorer (USA)

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Es ist ein bisschen wie die Geschichte mit dem gebrannten Kind und dem Feuer. Nachdem Ford in den neunziger Jahren mit dem Import von US-Modellen wie Probe, Windstar und Explorer gehörig auf die Nase gefallen ist, sind die Kölner nun besonders vorsichtig. Vielleicht sogar ein bisschen zu vorsichtig. Denn nicht nur der aktuelle Mustang hätte auch bei uns das Zeug zum Verkaufsschlager, sondern auch mit dem neuen Explorer könnte Ford diesseits des Atlantiks sicher punkten. Klar, sie müssten dann schon einen Diesel einbauen und vielleicht auch noch einmal Hand ans Fahrwerk anlegen. Doch ist das neue, erst zum Jahreswechsel eingeführte Modell des Kult-Geländewagens im Kern so gut gelungen, dass sich die Mühe lohnen dürfte – nicht umsonst wurde der Explorer direkt zum Start gleich zum „Truck of the Year“ gewählt. Dabei ist der Geländewagen streng genommen gar kein Truck mehr. Sondern zum ersten Mal steht der Bestseller auf einer Pkw-Plattform und teilt sich die Bodengruppe mit Autos wie dem Flex oder dem Taurus.

Im Zuge des Generationswechsels ist der Wagen nicht nur schicker geworden, legt die Abenteuerkleidung ab und wagt sich mit coolem Grill, kräftigen Flanken und halbwegs knackigem Heck in den Dschungel der Großstadt. Er ist vor allem sparsamer als früher. Denn ganz im Geist der neuen Zeit sparen sich die Amerikaner zwei Zylinder. Statt des alten V8-Motors gibt es deshalb nun als Spitzenmotorisierung einen neuen V6 mit 20 Prozent weniger Durst. Und wenn im Lauf des Jahres ein Vierzylinder-Ecoboost-Motor hinzukommt, mögen sich die Amis zwar über nur zwei Liter Hubraum wundern. Doch können sie sich dafür über einen Verbrauchsvorteil von etwa 30 Prozent freuen.

Bei der ersten Testfahrt macht der Explorer mit dem 3,5 Liter großen V6-Motor eine ausgesprochen gute Figur: 216 kW/294 PS und bis zu 345 Nm, fein sortiert von einer sechsstufigen Automatik, haben selbst mit gut zwei Tonnen Leergewicht noch leichtes Spiel. Auf Tempo 100 beschleunigt der Brocken deshalb in kaum mehr als acht Sekunden, und überholen wird zum Kinderspiel – zumindest auf amerikanischen Landstraßen. Da faucht der Motor kurz auf, der Bug hebt sich ein wenig wie bei einem Rennboot, und ganz gelassen schiebt sich der Explorer am Vordermann vorbei. Nur nach oben wird die Luft ein wenig dünn: Viel mehr als 180 Sachen sind nicht drin. Aber wen interessiert das in einem Land, in dem man auf öffentlichen Straßen fast nirgends schneller als 120 fahren darf?

Während man mit gemäßigtem Tempo über den Highway rollt, bügelt das Fahrwerk alle Bodenwellen locker aus, die Lenkung ist für ein US-Modell ziemlich präzise, und im Gelände hilft wie bei Land Rover ein Griff zum Drehregler, um Elektronik und Antrieb aufs jeweilige Terrain zu justieren. Dann kommt der Explorer (fast) überall durch – wenn man nicht im Basismodell mit Frontantrieb fährt.

Aber der Explorer fährt nicht nur ordentlich und sieht gut aus – er fasst sich endlich auch so an: Man sitzt bequem, die Hände streichen über überraschend edle Materialien, und der Blick fällt auf ein geradezu sensationelles Cockpit. Schönere Grafiken gibt’s nur im Telespiel. Weiter hinten lässt die Begeisterung allerdings nach. Vor allem die jetzt serienmäßige Bank in der dritten Reihe bietet wenig Komfort und wirkt wie hingebastelt. Allerdings kann man sie auf Wunsch – wie übrigens fast alles an und in diesem Auto – elektrisch bedienen. Klappt man sie aus dem Weg und legt auch noch die zweite Reihe um, ist man Herr über zwei Kubikmeter Ladevolumen.

Das Beste am Explorer ist wie immer bei den US-Autos der Preis – zumindest in Amerika. Dort kostet das Basismodell umgerechnet rund 20.000 Euro. Und selbst den V6 mit reichlich Ausstattung gibt’s für weniger als 30.000 Euro. Wo in Amerika der Explorer aufhört, fängt bei uns der kleinere Kuga gerade erst an. Damit würde der Wagen auch in den Ford-Showroom in Nürnberg statt New York und nach Minden statt Miami passen. Aber des einen Leid ist des anderen Freud: Während viele Ford-Händler bei uns die Kunden auf der Suche nach einem größeren Geländewagen zur Konkurrenz schicken müssen, reiben sich freie Importeure wie USCars24.de oder Geigercars in München die Hände: Denn kaum stand der Wagen in den US-Showrooms, hatten sie die ersten Exemplare für Preise knapp unter 40.000 Euro auch schon in ihren Katalogen.

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: Ford SPS

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