Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Die Nachricht dieser Woche kam am Donnerstag, als – zumindest ein großer Teil des Landes – sich Pappnasen-bewaffnet im Üben karnevalistischer Bräuche befand. Weshalb die Nachricht über den plötzlichen Einführungs-Stopp des Biosprits „E 10“, um den es in den vergangenen Wochen so viel Wirbel gegeben hatte, wohl auch nur die fastnachts-resistenten Autofahrer/innen erreichte. Die Mineralöl-Industrie zog am Donnerstag die Reißlinie, weil offenbar niemand den neuen, umweltfreundlichen, Treibstoff tanken wollte.

Mit Blick auf die bereits eingetretenen Versorgungsengpässe bei anderen Spritsorten und dem drohenden „E10“-Absatzdesaster teilte der Branchenverband mit, die Einführung des so heftig um- und beworbenen neuen Treibstoffs werde gestoppt, weil sonst „das System platze“. Etwa die Hälfte der bundesweit rund 15.000 Tankstellen war bereits mit dem neuen Zapfgut ausgerüstet worden. Ein System habe ich dabei aber nicht erkennen können. Viele Raffinerien könnten ihre vollen „E10“-Tanks nicht leeren, erklärte ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV). Nun wolle man erst einmal abwarten, ob der Verbraucher den neuen Sprit in den nächsten Tagen annehmen werde.

Wer aber ist bitte schön „der Verbraucher“? Doch Sie, ich, wir alle. Wir verbrauchen. Und zwar offensichtlich nicht das, was wir eigentlich sollen. Nämlich den neuen Treibstoff. Und warum machen wir Verbraucher, also Sie und ich, und viele andere Leute nicht das, was wir eigentlich nach dem Willen der Lieferanten machen sollten? Mal ehrlich, liebe Leserinnen und Leser: Haben Sie in den vergangenen Tagen an der „Tanke“ irgendjemanden gesehen, der sich dem neuen Allheilmittel für unser Autos und unsere gute Luft verbunden fühlte und den „E10“-Rüssel in die Hand nahm? Also ich habe niemanden gesehen. Zugegeben, ich habe auch nicht darauf geachtet. Vielleicht war es ja doch der (die) Eine oder Andere.

Was mich jetzt interessiert, ist die Entwicklung der Benzin- und Dieselpreise in den nächsten Tagen. Ist der sprunghafte Anstieg in erster Linie wirklich nur auf das revolutionäre Wetterleuchten in der arabischen Welt zurückzuführen, oder hat da jemand (unabgesprochen natürlich) erst wenig, aber stetig an der Preisschraube gedreht, weil es ja angeblich einen guten, weil weltpolitischen, Grund dafür gab? Die Sorgen um die politische Instabilität in den betroffenen Ländern, um Knappheit oder Lieferschwierigkeiten beim Erdöl und was weiß ich nicht alles. Das alles allein sollte des Pudels teurer Kern gewesen sein? Also mir ist das zu billig als Erklärung.

Die Tatsache, dass „E 10“ nun vorerst einmal zurück gehalten wird, zeigt – und das ist gut so – die wirtschaftliche Macht des Verbrauchers. Nämlich wir alle, Sie und ich, wir stimmen mit unserem Geldbeutel ab, was man uns vorsetzt. Es geht hier gar nicht darum, ob man dieses neue flüssige Gold nun unbedingt aus ökologischen Gründen braucht oder nicht: Es geht ganz einfach darum, dass man die Leute verunsichert, wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt und gleichzeitig die Preise in die Höhe schnellen.

Das lässt sich der Verbraucher offensichtlich nicht gefallen. Er lässt sich nicht für dumm verkaufen. Und das, so meine Meinung, haben wir gut gemacht. Wir Verbraucher. Sie und ich und alle Anderen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, egal ob mit oder ohne Pappnase. Und wenn sie partout gar nichts mit dem närrischen Treiben anfangen können, dann möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein Zitat des irischen Schriftstellers George Bernard Shaw ans Herz legen. Der Literat von der grünen Insel kam in der Reife seines Lebens zu der Erkenntnis: „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute, sind Narren. Seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“

Ihr Jürgen C. Braun

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