Phänomen „Dakar“: Die Extreme des Motorsports

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Jahrelang beherrschte der Zweikampf zwischen Mitsubishi (Pajero) und Volkswagen (Race Touareg) die Schlagzeilen beim größten Abenteuer des Motorsports, der „Rallye Dakar“. Namen wie Stephane Peterhansel, Luc Alphand, (beide Frankreich), Hiroshi Masuoka (Japan) oder die der beiden deutschen Amazonen Jutta Kleinschmidt und Andrea Mayer standen für Auseinandersetzungen der ganz besonderen Extreme auf höchstem Niveau. Hinzu kamen Exoten wie der Elsässer Jean-Louis Schlesser in seinem selbst gebauten Buggy, die russische Truck-Armada in der Lkw-Wertung oder die überall präsente oranje-farbene KTM-Fraktion bei den Zweirädern. Die Dakar war immer für Schlagzeilen der besonderen und außergewöhnlichen Art und Weise gut, und das ist sie auch in diesem Jahr.

So setzt das hessische X-Raid-Team von Sven Quandt nicht nur sechs BMW X3CC ein, sondern glänzt auch mit einem Mini Countryman, der eigens für die Anforderungen in der Atacama-Wüste oder für die Viertausender in den Anden vorbereitet wurde. Die Franzosen Guerlain Chicherit und Beifahrer Michel Périn pilotieren den „Mini All4 Racing“ bei der 33. Auflage der „Dakar“ in Argentinien und Chile. Der Einsatz des Kultautos war von langer Hand geplant. X-raid-Team-Besitzer Quandt erhielt im Juni 2010 von BMW grünes Licht für den Mini Countryman und auch Entwicklungspartner Magna Steyr sicherte seine Unterstützung bezüglich des neuen Projekts zu. Mit der Fertigung des Fahrzeugs wurde demzufolge im Sommer begonnen. Die ersten Tests mit dem Mini der ganz besonderen Art in Frankreich machten der Crew Hoffnung auf eine erfolgreiche Premiere des Fahrzeugs, das ja bei der „normalen“ Rallye-Weltmeisterschaft seine Standhaftigkeit schon vor Jahrzehnten mit positiven Schlagzeilen nachgewiesen hatte.

Magna Steyr ist unter der Projektleitung von Hermann Pecnik verantwortlich für das Konzeptdesign, und die Einhaltung des technischen Reglements der FIA. Dank eines Ganzkörpers aus der sehr leichten Bauweise mit Carbon-Kevlar soll der Mini Countryman so wenig Eigengewicht wie möglich mit sich herum schleppen. Herzstück des Fahrzeugs ist der Motor, der an den Sechszylinder-Dieselmotor mit Turboaufladung des BMW X3 CC angelehnt ist. Das Triebwerk leistet etwa 315 PS. Das maximale Drehmoment liegt bei zirka 700 Newtonmeter.

Im Vergleich zum BMW X3 ist der Mini 27 Zentimeter kürzer und 15 Zentimeter niedriger und soll sich zudem durch ein moderateres Handling auszeichnen. „Wir konnten durch zahlreiche kleinere Detailmodifikationen den Schwerpunkt des Fahrzeugs senken“, beschreibt der Teammanager die Fahreigenschaften des Mini All4 Racing. „Auch für unsere Serviceleute ist es angenehmer und leichter, an dem Auto zu arbeiten. Die gesamte Karosserieverkleidung ist abnehmbar und so sind alle relevanten Teile leicht zugänglich.“

Für Aufsehen dürfte in der Automobilwertung bei der „Dakar 2011“ auch wieder der siebenfache Deutsche Rallyemeister Matthias Kahle sorgen, der mit dem Hamburger Unternehmer Thomas Schünemann als Navigator in einem Buggy des „HS Rallye-Teams“ unterwegs sein wird. Im vergangenen Jahr kostete ein Getriebeschaden den beiden kurz vor dem Zieleinlauf den bereits sicher geglaubten zweiten Klassensieg in Folge bei der „Dakar“. Ein Jahr zuvor trumpften Kahle/Schünemann in den weißen Dünen der Fiambala-Wüste jedoch ganz groß auf und holten den neunten Platz in der Tageswertung – mit mehr als anderthalb Stunden Vorsprung auf alle anderen Buggies. „Ich freue mich auf die neuen Strecken und Impressionen“, beteuert Schünemann. „Auch wenn wir jetzt noch nicht einschätzen können, ob die Prüfungen unserem Buggy liegen, ist mein Eindruck, dass die Rallye noch härter ist als in den zurückliegenden Jahren. Wir werden in weniger Tagen mehr Kilometer zurücklegen, allein das erhöht schon den Schwierigkeitsgrad.“

Das neue Reglement hat die dritte Auflage der Südamerika-Dakar vor allem für die Co-Piloten noch schwieriger gemacht. Auf den Etappen, die meist über mehrere Hundert Kilometer führen, kommt nicht nur den Künsten des Fahrers, sondern auch den Fähigkeiten des Navigators ganz besondere Bedeutung zu. „Es wird schwieriger, aber auch interessanter“, sagt der Karlshofer Dirk von Zitzewitz, der die mörderische Materialprüfung 2009 gemeinsam mit dem Südafrikaner Giniel de Villiers im VW Race Touareg gewann. Das Auffinden der Wegpunkte wird für die Teams ab Samstag demzufolge noch kniffliger als in den Vorjahren werden.

Trotz aller sportlichen Anreize hat die „Dakar“ aber auch ihren Schrecken als Unglücksrallye nicht verloren. Noch immer ist die Hatz über fast 10.000 Kilometer in zwei Wochen durch teils unberührte Landschaften bei vielen Gegnern umstritten. So kam in diesem Jahr bereits zum Auftakt des Wettbewerbs eine argentinische Zuschauerin nach einem Zusammenstoß mit einem Teilnehmer-Fahrzeug ums Leben. In der inoffiziellen Statistik der Rallye, die 1978 zum ersten Mal in Paris gestartet wurde und in die senegalesische Hauptstadt führte, ist sie das 59. Todesopfer.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Industrie, Jürgen C. Braun

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