Test-Tour: Dodge Challenger SRT 8

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Es ist der Motor, der das Auto ausmacht. Das wusste schon Kowalski, als er 1971 einen Dodge Challenger R/T in dem Film Vanishing Point (Fluchtpunkt San Francisco) wählte, um ihn von Denver nach San Francisco zu überführen. Und zwar nicht im Schneckentempo, sondern unter Vollgas. Denn der Ex-Rennfahrer und Ex-Polizist muss eine Wette einlösen. Eine, die nicht zu schaffen ist: Für eine Strecke von fast 4.000 Kilometer hat er lediglich 15 Stunden Zeit, macht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 266 km/h. Klar, dass er das kaum schaffen kann. Aber es gibt Männer, die geben höchstens ein Paket auf der Post auf, niemals ein Rennen und schon gar nicht eine Wette. Die Handlung des Films ist aber ohnehin nebensächlich. Wichtig ist nur der Sound, der Sound, der Sound. Und sonst nichts.

Gut 40 Jahre später wollen wir den Versuch aus verschiedenen, sicherlich nachzuvollziehenden Gründen, nicht wiederholen. Das legendäre Bollern des V8 des Dodge aber schon. Denn Live Musik ist immer aufregender als die aus der Konserve. Seit der neue Challenger (deutsch: der Herausforderer) 2006 als Showcar debütierte, ist die Fangemeinde aufgewacht. Kein Wunder, denn nach der ersten Generation von 1969 und der zweiten von 1978 bis 1983 vergingen 25 Jahre, bis das Sportcoupé 2008 endlich wieder auf den Markt kam. Für rund 54.000 Euro gibt es den Challenger in Deutschland, wenn auch nur bei freien Importeuren – offiziell will Dodge die Ikone nicht einführen. Um das V8-Herzstück herum sieht der Ami sehr bullig aus; durch die dunkle Front und die tief heruntergezogene Spoilerlippe blickt er grimmig. Nachts wird der böse Blick durch serienmäßigen Xenon-Scheinwerfer weiter unterstützt. Dieses Coupé will nicht spielen, sondern mit einer harten Hand über den Asphalt gepeitscht werden.

Downsizing war gestern. Wenn die acht Zylinder mit insgesamt 6,1 Liter Hubraum per Knopfdruck geflutet werden, schreit der V8 kurz heiser auf, um die amerikanische Nationalhymne The Star Spangled Banner wie John Wayne nach einer Flasche Whiskey in Nashville zu singen. Dabei wird ganz nebenbei und fast verächtlich ein Stück Priem aus den beiden Endrohren auf die Straße gerotzt. Schon mit Einlegen des ersten Ganges des manuellen und straffen Sechsgang-Getriebes wird klar, dass das Texas Chainsaw Massacre nichts ist im Vergleich zu einer bewusstseinserweiternden Fahrt im Dodge. An der ersten Ampel schütteln Passanten entsetzt den Kopf, Jugendliche wollen dagegen einen Donut sehen, mindestens einen Burnout. Will man Kinder enttäuschen? Das würde uns das Herz brechen, deshalb hilft ein beherzter Tritt auf das rechte Pedal, kombiniert mit der schnellen Rückbewegung des linken Fußes.

Mit dem Rauch in den Radhäusern lässt es sich zwar gut leben, der Sprint auf die 100-km/h-Marke wird aber nicht in rund 5 Sekunden erreicht, was sonst allerdings kein Problem darstellt. Porsche-Fahrer sollten deshalb lieber nicht verächtlich mit ihrem Sechszylinder prahlen, auch nicht auf der Autobahn. Hat der Dodge freie Bahn, bleibt er bis knapp 270 Spitze am Heck des Stuttgarters kleben, dabei werden die Gänge bis zur Topspeed so schnell gewechselt, dass das Blut in den Adern pulsiert – Workout auf Amerikanisch. Wenn es aber brenzlig wird, packen die 16 Kolben der Bremsanlage so bissig zu, dass einem fast der Stetson vom Kopf fällt. Allerdings wollen die hungrigen Brennräume auch üppig gefüttert werden: Mit weniger als 20 Liter werden sie nicht satt. Und auch bei zurückhaltender Fahrweise fließen selten weniger als 16,6 Liter Super durch die Leitungen. Kleinere Motoren bringen zwar Vorteile – das gilt aber auch für Lebertran.

Im Gegensatz zu den hochgezüchteten Sportmotoren aus Europa oder Japan liebt das Hubraummonster aber vor allem niedrige Drehzahlen. Das Cruisen bei rund 2.000 Touren und geöffnetem Seitenfenster empfiehlt sich besonders in engeren Straßen. Dort, wo die Häuserfronten die Benzinexplosionen wie einen Football hin und her schießen, wird jede Straße zum Open-Air-Konzert. Passend dazu ist auch das Fahrwerk abgestimmt, das zwar durch eine komfortable Federung überrascht, eine gewisse Straffheit aber nicht vermissen lässt. Bei hastigen Lastwechseln kommt der Fahrer trotz der direkt und präzise arbeitenden Lenkung schnell ins Schwitzen: Die hemi-orange lackierte Karosserie wankt dann und das Heck fängt danach an zu tänzeln wie ein Cowboy beim Square-Dance. Der SRT ist eher für den Strip gemacht, die Geradesausfahrt mit viel Show. Daran ändern auch Sicherheitssysteme wie ABS, ESP oder die wuchtigen 20-Zoll-Felgen wenig.

Der 1,9 Tonnen schwere Hecktriebler braucht zwar keine hohen Drehzahlen, wenn er sie denn aber bekommt, liegt ein Donnerhall in der Luft. So als käme eine Armada Hells Angels auf ihren Harleys gleich um die Ecke. Die hätten allerdings wenig Chancen, den Fahrer überhaupt zu identifizieren: Durch die hohe Schulterpartie und die schmalen Seitenscheiben verschwinden die Insassen im Coupé, genauso wie der tief kauernde Fahrer auf den weichen Ledersitzen hinter dem wuchtigen Cockpit aus grobem Kunststoff, das eher einer Jet-Kanzel als einem konventionellen Armaturenbrett gleicht. Die Rundumsicht ist eine Zumutung, rückwärtiges Einparken muss man lange trainieren oder es wird zur Glücksache. Wer den coolen Auftritt liebt, sollte lieber eine große Parktasche suchen oder vorwärts einparken. Aber wer will schon parken? Dabei verliert man nur Zeit, besonders auf der Flucht.

Kowalski hätte das ganz klar nicht ausprobiert. Ebenso klar, wie er den Dodge damals nicht pünktlich abliefern konnte. Zum Schluss rast er in zwei Planierraupen. Doch der legendäre Dodge überlebt den Crash – im Film wurde aus Kostengründen ein billigerer Chevrolet Camaro zerlegt. Zur Freude der treuen Dodge-Fans.

Text: Spot Press Services/Fabian Hoberg
Fotos: Dodge, SPS/Fabian Hoberg

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