Mercedes und Kombi: Das ist immer so etwas wie eine Gratwanderung. Denn ein Fahrzeug, das nicht nur dazu konzipiert wurde, Personen, sondern auch möglichst viel Gepäck, sperrige Gegenstände, und unter Umständen sogar Kisten, Eimer oder ähnliches Handwerkszeug zu transportieren, trägt eher in Ausnahmefällen einen Stern auf der Kühlerhaube. Indes: die Baureihe „T“, die bei den Schwaben für diese Karosserieform steht, hat durchaus Tradition: Vor mittlerweile mehr als 30 Jahren stellte das Haus, das eher wegen seiner eleganten Limousinen bekannt ist, den ersten Kombi für die „höheren Chargen“ vor.
Dass das ein durchaus kluger Schachzug war, sollte sich bald herausstellen. Denn auch die Konkurrenz in Gestalt von Audi und BMW punktet auf diesem Mark mit „Avant“ und „touring“-Modellen, was im Prinzip das Gleiche ist. Wir fuhren eine T-Version des schwäbischen Herstellers, die durchaus den Anspruch „Premium“-Angebot auf diesem Sektor zu sein, hat: den E 350 CGI mit einem 292 PS starken Sechszylinder-Benzinmotor. Ein solches Aggregat ist dann auch von nöten, wenn das 1,8 Tonnen schwere Gefährt mit Mitfahrern und viel Gepäck an Bord sein Leergewicht beträchtlich erhöht. 570 Kilogramm dürfen in den schwäbischen Kombi, der eigentlich mehr einem gestreckten Raumgleiter als einem Transportmobil ähnelt, zusätzlich hereingepackt werden. Das ist ein höchst akzeptabler Wert, denn die Konkurrenz aus München und Ingolstadt muss sich da zum Teil mit deutlich niedrigeren Zahlen zufrieden geben.
Dass die Marke mit dem Stern aber in erster Linie für das Feingefühl ihrer Limousinen und deren sprichwörtliche Leichtfüßigkeit bekannt ist, merkt man auch dem T-Modell an. Zumindest in unserem Fall. Denn der lange Komfort-„Transporter“ lässt sich auch dann leicht und behände im Kurvenlabyrinth bewegen, wenn es nicht nur schnurgerade über Hunderte von Autobahn-Kilometern geht. Die Siebenstufen-Automatik arbeitet ohne Aufmucken professionell und sanft, ruckelt nicht. Das ist eben das, was der Käufer von der Limousine her kennt und vom Kombi erwartet und auch bekommt: Mercedes eben.
Dies geschieht dank strafferer und adaptiver Dämpfer sowie Stabilisatoren, die regulierend eingreifen, wenn Mensch und Material sanft und behutsam, aber mit viel Verve „kutschiert“ werden wollen. Da ist man denn auch in den seltensten Fällen dazu verführt, sich der Schaltpaddel am Lenkrad zu bedienen, um vielleicht eine etwas flottere und erfrischendere Fahrweise auf den Asphalt zu zaubern. Nur noch selten zu sehen, aber in diesem Falle praktisch, dass der Wählhebel an der Lenksäule angebracht ist. Dadurch entsteht mehr Platz im Bereich der Mittelkonsole.
Doch unser Testfahrzeug war nicht nur in erster Linie Mercedes, er war und ist auch mit dem gleichen Selbstverständnis vor allem eines: Kombi nämlich. Die Rückbank ist zu einer zwei Meter langen ebenen Ladefläche umlegbar, die zwischen den Radkästen eine Breite von 1,10 Metern aufweist. Die Entriegelung der Rücklehne kann auch mittels eines Zuggriffes von der D-Säule aus vollzogen werden. Ein durchdachtes und praktisches Kombi-Detail ist der in mehreren Stellungen arretierbare Ladeboden mit einer darunter liegenden Zusatzmulde. Für 1.083 Euro gibt es eine zusätzliche Klappsitzbank. Dachreling, Niveauregulierung, ein Doppelrolle und eine elektrisch öffnende Heckklappe machen aus dem E 350 CGI in der Tat einen Kombi für Besserverdienende.
Überrascht waren wir vom mäßigen Durst des 3,5-Liter-Aggregats, das wir im Testfahr-Zeitraum, ohne uns in unserem Vorwärtsdrang einschränken zu müssen, auf 7,9 Liter Superbenzin für 100 Kilometer einpendeln konnten. Das maximale Drehmoment des Sechszylinders liegt allerdings erst bei knapp 3000 Umdrehungen an, so dass der Direkteinspritzer nicht eben mit übergroßer Sportlichkeit glänzt. Immerhin ein Viertel aller E-Klasse-Kunden sollen sich dem Vernehmen des Herstellers nach für ein T-Modell entscheiden. Sie dürfen sich über eine (fast) perfekte Symbiose aus Fahreigenschaften einer Limousine mit den Großraumqualitäten und der Variabilität eines Kombis freuen. Traditionsgemäß sind die T-Modelle im Hause Mercedes-Benz nicht eben ein Schnäppchen, doch das hohe Ausstattungs- und Verarbeitungsniveau rechtfertigt gewisse Preisforderungen auch. In diesem Falle sind dies 55.692 Euro, wobei dieses Level durch Individualisierungs-Maßnahmen noch durchaus „angepasst“ werden kann.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun