Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Die Nachricht der Woche, auch für viele Automobil-affine Zeitgenossen, kam schon gleich zu Beginn der Woche. Nein, es war weder die Meldung über die bevorstehende Markteinführung des neuen Renault Mégane Cabriolets noch die Tatsache, dass Seat den neuen Ibiza zum Modelljahr 2011 aufgewertet hat. Diskutiert wurde auch unter Autofreunden – zumindest einmal für ein oder zwei Tage lang – in erster Linie nur über ein Thema. Über das jähe Aus der WM-Hoffnungen unseres nationalen Balltreters, Michael Ballack.

Es muss wirklich weltbewegendes passiert sein bei diesem englischen Pokalfinale, bei dem Bänder, Sehnen und Knöchel des schwarzen Beaus nach einem bösen Tritt so arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Hatte doch „das Zweite“ am Montag nichts Eiligeres zu tun, als im Anschluss an die 19-Uhr-„Heute“-Nachrichten ein „ZDF Spezial“ zu diesem Thema zu senden und die ARD ließ sich nicht lange bitten und strahlte nach der Tagesschau sogar zum Ballack-Drama einen „Brennpunkt“ aus. Na bitte, Herr Ballack, da wären Sie ohne dieses zugegeben üble Foul niemals hingekommen – an so einen exponierten Sendeplatz. Und die Meinungen, Analysen und Kommentare der selbst ernannten Experten waren mindestens genau so geschwollen wie der Knöchel von Michael Ballack.

Beim ach so „niederschmetternden“ Betrachten dieser Bilder erinnerte ich mich an einen Termin des Automobilherstellers Audi gemeinsam mit dem FC Bayern München. Der damalige Audi-Vorstands-Vorsitzende und heutige VW-Chef Dr. Martin Winterkorn hatte sein Unternehmen als Top-Sponsor bei den Bayern platziert, zu denen damals auch noch Michael Ballack gehörte, bevor es ihn des schnöden Geldes wegen auf die britische Insel zum FC Chelsea zog. Es war ein leichter und lockerer Plausch damals gewesen zwischen Gastgeber und Besuchern. Zwischen Leuten, die (auf beiden Seiten wohl) schnelle Autos und guten Fußball liebten. Auch Ballack schloss sich – wohl wissend, wo seine „Kohle“ herkam, bei dem allgemeinen „Get Together“ (zu Deutsch: dumm rumstehen) nicht aus.

Als die Kunde um das Ende der WM-Teilnahme des deutschen Nationalmannschafts-Kapitäns dann jedoch am Montagabend dermaßen zu einem weltbewegenden Thema hoch stilisiert worden war, begann bei mir das tiefe Nachdenken. Zur besten Sendezeit, nicht etwa auf irgendeinem „RTL 2“ oder sonstigen Privatsender, sondern auf den beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen zur Schreckensmeldung ohnegleichen erhoben, da fehlte es mir doch dann einfach an der Verhältnismäßigkeit der (Stil)mittel.

Bei einem „ZDF Spezial“ oder einem „ARD-Brennpunkt“ geht es meist um Naturkatastrophen, um kriegerische Auseinandersetzungen, um Flugzeugabstürze. Also um Ereignisse, in denen sich ganz private Schicksalserlebnisse mit Nachrichten, die die Welt wirklich erschüttern, vermischen. So schade und bedauernswert die Nicht-Teilnahme an dieser Weltmeisterschaft in Südafrika für Ballack persönlich auch sein mag, so unbedeutend ist sie doch in ihrer Auswirkung auf alle die anderen persönlichen Schicksale, die über unsere Kanäle flimmern. Der Fußballstar wird keine finanziellen Einbußen hinnehmen müssen, er wird weiter als Werbe-Testimonial arbeiten können und keinem Mitglied seiner Familie ist ein Leid geschehen. In zwei bis drei Monaten wird der folgenschwere Tritt des Herrn Boateng kein Thema mehr sein.

Und Michael Ballack wird wieder (im Gegensatz zu manch anderen vom Schicksal Getroffenen auf dieser Welt) putzmunter über den Rasen springen und ins gegnerische Tor treffen. Die wirklichen Dramen eines jeden Einzelnen von uns spielen sich auf einer ganz anderen Ebene ab. Und sie schmerzen nicht am Knöchel, sondern da, wo es viel heftiger weh tut. Uns Allen bleibt aber nur eines, was auch sicherlich Michael Ballack jetzt tun wird: Weiter kämpfen, so wie man es schon mehrfach getan hat. Mit Erfolg.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende!

Ihr Jürgen C. Braun

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