Adios Vocho: Mexicos allmählicher Abschied vom Käfer-Taxi

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Sie sind eng, laut und langsam. Doch den Mexikanern ist der VW Käfer einfach ans Herz gewachsen. Zwar hat auch das Werk Puebla vor sieben Jahren nach exakt 21.529.464 Exemplaren die Produktion des erfolgreichsten Autos aller Zeiten eingestellt. Doch 1,7 Millionen verkaufte Käfer verschwinden nicht so einfach aus dem Straßenbild – und erst recht nicht aus den Köpfen. Vor allem in der Hauptstadt Mexico City ist der „Vocho“ noch so präsent, wie es der Käfer bei uns selbst in den Fünfziger und Sechziger Jahren nie gewesen ist. Wo man auch hinschaut, krabbelt er durch enge Gassen und rollt über breite Alleen und trägt überall stolz seine grün-weiße Lackierung zur Schau. Dennoch ist der Klassiker aus Deutschland das Taxi Nummer 1 in einer der größten Städte der Welt: Weit mehr als die Hälfte der rund 100.000 Taxen in Mexico-City sind noch immer VW Käfer.

Einer davon gehört Alberto Osmaya, der sich nun schon seit fast zwei Jahrzehnten als Taxifahrer durch die Hauptstadt kämpft, bereits den zweiten Käfer fährt und sich partout kein anderes Auto vorstellen kann: „Selbst wenn ich im Lotto gewinnen würde und mir jeden Mercedes oder BMW leisten könnte, ich würde immer wieder den Käfer nehmen“, sagt der Mexikaner.

Warum er den Vocho so liebt? Weil das Auto einfach unzerstörbar ist: Obwohl der Wagen die 100.000 Kilometer mittlerweile zum dritten oder vielleicht sogar schon zum vierten Mal voll gemacht hat, habe der Käfer ihn noch nie im Stich gelassen. „Und wenn doch mal was kaputt geht, kann ich ihn gleich am Straßenrand reparieren“, sagt Osmaya und zeigt stolz auf die komplette Werkstattausrüstung, die er unter die Fronthaube gepackt hat. Die Ersatzteile dafür sind in Mexico noch überall zu bekommen. Nicht umsonst wurden Bremsbeläge, Kupplungsseile und andere Kleinteile in der Hauptstadt bis vor kurzem sogar in den Supermärkten verkauft. Aber das unverwüstliche Wesen ist nicht das einzige, was Senor Osmaya an seinem Käfer lieben gelernt hat. Es ist auch sein Charakter: „Der Wagen ist ganz ähnlich wie ich: Stur wie ein Esel“, sagt der Taxler: „Ein bisschen störrisch, aber am Ende kommt er überall hin.“

Schon daheim in Deutschland hat die Taxi-Fahrt ja mittlerweile jeden Luxus verloren. Doch gegen den Ritt in Osmayas Käfer sind die Tourans, Octavias & Co. bei uns noch Gold wert: Wie weiland unsere Großeltern als Kleinkinder, müssen sich Taxi-Kunden in Mexico auch heute noch in den Fond der antiken Kugel quetschen – den Beifahrersitz haben die meisten Taxifahrer deshalb kurzerhand ausgebaut. Dabei ist die Taxiverordnung wenig zimperlich: „Drei Fahrgäste auf der Bank und alle Koffer hier neben mir, das ist ganz offiziell erlaubt“, sagt Omsaya. „Und wenn es sein muss, passen auch mal vier hinein“, schickt er mit einem Lächeln hinterher. Natürlich ist das eng und unbequem, und oft verhüllt nur eine fadenscheinige Decke, welch tiefe Wunden der Zahn der Zeit bereits in die Sitzkissen geschlagen hat. Doch darf man bei einem Grundtarif von umgerechnet 40 Cent und einem niedrigen Kilometerpreis wohl nicht mehr erwarten.

Den Kampf mit dem Chaos in Mexico City ficht Osmaya dabei mit winzigen Waffen: Gerade einmal 34 kW/46 PS bringt der 1,6-Liter-Motor im Heck auf die Straße und spielt dabei durch ein fingerdickes Auspuffröhrchen die typische Boxer-Melodie. 120 km/h, und die nur mit Anlauf, mehr sind damit nicht drin, räumt der Taxifahrer ein. Aber hier in der Stadt läuft der Verkehr ohnehin meist nur im Schritttempo – und zwar rund um die Uhr.

Der Dauerstau ist auch ein Grund, warum es dem Käfer jetzt an den Kragen geht. Natürlich ist er nicht der einzige Grund, doch haben ihn die Behörden der 20-Millionen-Stadt als Stinker ausgemacht und wollen ihn lieber heute als morgen von der Straße haben: Schon seit langem gibt es ein Gesetz, wonach Taxen in Mexico nur acht Jahre alt sein dürfen. Spätestens 2011 wäre deshalb ohnehin Schluss für den Käfer. Doch der Stadt, in der man vor lauter Smog bisweilen kaum die Hand vor Augen sieht, in der man zweimal im Jahr zur Abgasuntersuchung, aber dafür nie zu einer Hauptuntersuchung muss, und in der für ältere Autos je nach der Endziffer ihres Kennzeichen an einem Tag pro Woche ein Fahrverbot gilt, ist die Gnadenfrist noch zu lang. Deshalb dringt sie auf ein schnelleres Ende. „Wir wollen sie loswerden. Die Käfer sind mittlerweile eine Plage für die Stadt”, schimpft Manuel Ramirez, der im Verkehrsministerium die Taxi-Sparte leitet: „Es wird Zeit, den Käfer durch modernere, sparsamere und sauberere Autos zu ersetzen“, sagt Ramirez und verspricht Umsteigern eine Abwrackprämie von 15.000 Pesos, umgerechnet rund 920 Euro.

Senor Osmaya kann er damit aber nicht locken, selbst wenn ihm der Wechsel auf einen Hyundai Atos oder einen Nissan Tsuru nie so leicht gemacht wurde. Er und sein Käfer, das ist ein Gespann für die Ewigkeit, sagt der Endvierziger trotzig: „Wenn ich meinen Vocho abgeben muss, dann hänge ich meinen Beruf an den Nagel.“

Text und Fotos: Spot Press Services/bb

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