Buchtipp der Woche

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Truman Capote, auf Reisen. Kein und Aber Verlag; 14,90 Euro.

Äußerlich betrachtet ist Hyppolite vielleicht ein hässlicher Mensch. Er ist dünn wie ein Äffchen, abgezehrt und extrem dunkelhäutig. Aber durch seine lehrerinnenhafte Nickelbrille schaut er einen mit einer Aufmerksamkeit an, die von einem tiefen Verständnis zeugt. Man fühlt sich, was selten ist, in seiner Gegenwart einfach aufgehoben und angenommen.

Keine Frage: Truman Capotes Reisereportagen sind ein echtes Lese-Erlebnis. Der Mann, der in seinen letzten Lebensjahren bevorzugt als drogenabhängige Skandalfigur der Gesellschaft wahrgenommen wurde, erweist sich hier als feinsinniger Beobachter.

Es ist der Blick fürs Detail, der den Reiz dieser Reportagen ausmacht. Das Schicksal des haitianischen Malers berührt Capote, den Beobachter, der zwar Eindrücke schildert, aber nicht verurteilt und allenfalls vorsichtig beurteilt.So macht er in Taormina einen Tabakladen als ein Zentrum gesellschaftlichen Lebens aus. Die Menschen treffen sich hier nicht nur zum Einkaufen, sondern zum Austausch. Und Tabakwaren gelten nicht primär als gesundheitsbedenkliches Genussmittel, sondern als Kostbarkeit – Zigaretten werden nicht packungsweise, sondern einzeln gekauft. Keine Frage: Dieses Buch ist eine Zeitreise um rund 60 Jahre zurück.

Manches freilich scheint sich in so langer Zeit nicht geändert zu haben: Wenn Hollywood-Stars heute mit Kaufexzessen in die Schlagzeilen geraten, so ist das keinesfalls neu. Capote, zu Besuch bei einer Berühmtheit, wird erst einmal von deren kleiner Tochter in Empfang genommen. Die Dame des Hauses ist noch beschäftigt. Und bis die zum Gespräch mit dem Besucher bereit ist, wird der vom Töchterlein erst einmal aufgeklärt darüber, wie viel jeder einzelne Einrichtungsgegenstand gekostet hat. Soweit das in den paar Minuten Gespräch möglich ist.

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