NAIAS 2010: Wir leben noch!

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Vor einem Jahr läutete die Automesse in Detroit das Totenglöckchen der amerikanischen Traditionsmarken. Ein Jahr später lautet die Diagnose: Der Patient wurde wiederbelebt. Ob Folgeschäden bleiben, ist noch nicht abzusehen. Insgesamt 41 Premieren zählt der Veranstalter der North American International Autoshow (NAIAS) in diesem Jahr. Das sind nochmals ein Dutzend weniger als im Totentanzjahr 2009. Auch bei den Besucherzahlen gibt man sich bescheiden und plant mit nur rund 650.000 zahlenden Gästen. Geändert hat sich auch das Auftreten der ehemals großen Drei aus den USA. Bei GM, hierzulande als unglücklicher und manchmal auch schwieriger Opeleigner ein Dauerthema, kehrt eine neue Bescheidenheit ein. Markige Sprüche sind vom neuen Vorstand um Edward Whitacre nicht zu hören. Immerhin will das Unternehmen wieder wachsen und seine Kredite pünktlich zurückzahlen. Zum Wachsen bleiben GM allerdings nur vier Marken. Hummer und Saab gibt es nicht mehr. Eine große Rolle spielen die kleinen Modelle, wie der in Asien montierte Chevrolet Cruze und das Elektromobil Chevrolet Volt. Der Opel Insignia, für US-Verhältnisse auch ein relativ kompaktes Auto, wird dort als Buick Regal verkauft.

Eine Nummer kleiner darf es bei Ford zugehen. Die Traditionsmarke brauchte als einzige der ehemals großen Drei auf dem US-Markt im vergangenen Jahr keine staatlichen Milliarden, um vor der Pleite gerettet zu werden und hat die Zeichen der Zeit vielleicht rechtzeitig erkannt. Jedenfalls wurde gerade die nächste Generation des Ford Focus in Detroit als Weltpremiere vorgestellt und sie dient auch als eine Art Neuauflage des Weltautos. Mit der Idee, ein Modell für alle Märkte zu entwickeln, ist Ford vor zwei Jahrzehnten schon einmal gescheitert. Damals orientierte man sich allerdings am amerikanischen Geschmack, der im Rest der Welt mitunter nicht so gut ankommt. Jetzt setzt man auf ein europäisches Kompaktmodell, was in jedem Fall für hohe Lernbereitschaft seitens des Ford-Vorstandes spricht.

Bei Chrysler, dem kleinesten der US-Konzerne, ist man in diesem Jahr ganz bescheiden. Statt großer Sprüche gibt es viele italienische Autos zu sehen. Nur Neuheiten sind Mangelware, was schlichtweg daran liegt, das der neue 20-Prozent-Eigner Fiat zwar die Geschäftsführung vor ein paar Monaten übernommen hat, aber in dieser Zeit noch keine gemeinsamen Modelle entwickeln konnte. Und bloße Showcars mag man nicht mehr hinstellen. Überhaupt fehlen die großen Effekte in Detroit. Pickups und ähnliche Fahrzeuggattungen spielten in Detroit diesmal keine Rolle. Statt eines Viehtriebs mit Cowboys und Pickups, wie noch vor zwei Jahren, gab es diesmal eine Elektric Avenue, auf der die verschiedensten Hersteller ihre Ideen für die elektrische Mobilität von morgen zeigen konnten. Bei so viel Lernwillen durften die Amis auch ein paar Muscle Cars als Reminiszenz an die gute alte Zeit zeigen.

Wie schon im vergangenen Jahr sind die Stände der deutschen Hersteller die prächtigsten und auch die mit den meisten Neuheiten. Mercedes zeigt beispielsweise das neue Cabrio der E-Klasse und bringt den SLS in die USA. Wichtiger ist aber die Botschaft, künftig die C-Klasse vor Ort herzustellen, um das Risiko des schwächelnden Dollars abfedern zu können. Audi stellt erstmals den A8 auf einer Messe vor. Zudem gibt es mit dem Etron als kompaktes Mittelmotorcoupé eine neue Version einer E-Auto-Studie. Mit einer solchen glänzt auch BMW, die einen elektrisch betriebenen 1er mit in die Cobo-Hall in Detroit gebracht haben. VW überrascht mit einem kompakten Coupé, das einen Vorgeschmack auf den nächsten Jetta gibt. Außerdem überlegen die Wolfsburger, extra für den US-Markt eine große Mittelklasselimousine zu bauen, die dem Bestseller Toyota Camry Konkurrenz machen soll. Toyota ist der heimliche Marktführer in den USA. Den Ausbau seiner Hybridflotte will das Unternehmen mit einem kompakten Hybrid unterhalb des Prius vorantreiben, der als FT-Ch vorgestellt wurde.

Text: Günter Weigel

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