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Manfred Spitzer/Wulf Bertram: Hirnforschung für Neu(ro)gierige. Braintertainment 2.0. Schattauer Verlag, 29,95 Euro.

Wenn man nach der Lektüre dieses Buches das Gefühl hat, man wisse eher weniger als mehr über das Thema, so liegt es zweifellos an diesem Thema – keineswegs am Autor(inn)enteam. Die Neurologie – sehr vereinfacht übersetzt: die Wissenschaft vom menschlichen Gehirn – vergleichen die beiden Herausgeber mit einem komplizierten Gelände: Kaum hat man wichtige der zahlreichen Wege einigermaßen entschlüsselt, tun sich schon wieder unbekannte Wege oder nur Gabelungen auf, die etliche neue Fragen aufwerfen. Umso bewundernswerter das Vorhaben, in einem wissenschaftlichen Verlag ein Buch über dieses Gelände herauszubringen, das sich ausdrücklich auch (oder sogar vorwiegend) an Nicht-Wissenschaftler wendet.

Die Liebe. Wunderbarste Sache der Welt – oder verstrickte Gefühlskiste? Ist sie einekomplizierte Sache – oder die einfachste der Welt? Lässt sie sich überhaupt wissenschaftlicherklären? Sie dominiert unser Leben – wir genießen sie oder suchen nachihr – und wenn sie uns entzogen wird, scheint eine Welt zusammenzubrechen. Dievielen Facetten der Liebe beschäftigen uns so sehr, dass seit Menschengedenkenbeinahe jedes Gedicht, jedes Buch, jedes Musikstück, jeder Film sich mit der Liebebefasst, und immer wieder ist sie neu, faszinierend. Recht so – denn Liebe ist derSchlüssel des Fortbestandes der Menschheit. Kein Wunder also, dass Liebe durchstarke und überraschend einfache biologische Mechanismen gesteuert wird. DieseMechanismen beeinflussen allerdings nicht nur unser Liebesleben, sondern auchgroße Aspekte unseres Sozialverhaltens. Neue Hypothesen legen sogar nahe, dassdie komplexen Konsequenzen sozialer Bindungen für die Komplexität und selbstfür die außergewöhnliche Größe des menschlichen Hirns mitverantwortlich sind.

Ein Bereich von vielen, der über unser Gehirn gesteuert wird. Die Vielzahl dieser Bereiche wirft aber nicht nur medizinische, sondern auch ethische Fragen auf. Zum Beispiel: Selbst wenn es irgendwann einmal möglich wird, auf Gefühle – wie eben die Liebe – mit chemischen Substanzen Einfluss zu nehmen: Darf die Medizin das dann auch tun? Die Frage nach dem An- und Ausknipsen von Gefühlen durch simples Einnehmen einer chemischen Substanz ist jedenfalls weit weniger Science Fiction und schon mehr Realität, als dem Laien bewusst ist.

Genau darin liegt die Faszination dieses Werks: Es vermittelt einen Eindruck von vielem, was tagtäglich im Körper geschieht, über Vorgänge, die unsere Entscheidungen und Wahrnehmungen auf unglaubliche Weise steuern. All dies nehmen die Autoren aber nicht zum Anlass, einfach nur die Faszination eines Organsystems zu beschreiben, sondern auch der hier mit beschriebenen medizinischen Disziplin kritische Fragen zu stellen.

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