Jürgen C. Braun: Mein Tagebuch der Tour de France (5)

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Wer die Tour de France mit drei Personen und jede Menge Gepäck in einem Fahrzeug begleitet, der muss schon viel Fantasie, Einfallsreichtum und manchmal auch etwas Glück haben, wenn er das Feld nicht nur ein, sondern zweimal am Tag erleben will. Am Dienstag unternahmen wir auf der Alpenetappe von Martigny nach Bourg-Saint-Maurice einen ziemlich ungewöhnlichen Schlenker, der aber zeigt, wie viele Möglichkeiten man mittlerweile hat, wenn man die Möglichkeiten des Automobils und der dazu gehörenden Infrastruktur ausnutzt.

Dabei bezwangen wir einen der höchsten Alpenpässe, den Großen St. Bernhard, gleich zweimal innerhalb von knapp zwei Stunden auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Nachdem wir von der schweizerischen Seite her kommend die Herkunftsregion der Bernhardiner über den Pass erklommen hatten, und dabei das Feld gesehen hatten, ging es anschließend in wilder Jagd hinunter, dann für 23 Euro durch den Tunnel des Gran San Bernardino von der italienischen Seite wieder zurück in die Schweiz und dann entlang des Aosta-Tals wieder auf französischen Boden, wo wir den Tross vor dem Ziel in Bourg-Saint-Maurice noch einmal erwischten.

Ganz ehrlich: Das war zwar so geplant, dass es aber letztendlich auch so aufging, war eine Sache von weniger als fünf Minuten und gelang uns auch nur unter der recht eigenwilligen Interpretation der, im jeweiligen Land geltenden, Verkehrsvorschriften. Aber immerhin konnten wir ja alle 30 Minuten abwechselnd behaupten: Wir sind nicht von hier und nur auf der Durchreise. Bei der Einfahrt in den Tunnel bekamen wir übrigens ein viersprachiges Faltblatt, das uns über die Verhaltensmaßregeln und die Sicherheits-Vorkehrungen im Tunnel unterrichtete. Wenn man das alles so liest, dann sollte man eigentlich kein ungutes Gefühl mehr haben: Alle 120 Meter ein Notausgang, Video-Überwachung rund um die Uhr, Luftzirkulation auf dem neusten Stand der Technik und die breiten Bahnen taghell erleuchtet. Dennoch: irgendwie war ich froh, als wir wieder Tageslicht sahen.

Die Reise durch das Reich der Riesenhunde, die immer als Retter par excellence bei schweren Lawinen-Unglücken im Hochgebirge gefeiert werden, brachte uns diesen massigen, in ihrer Ruhe aber auch beeindruckenden Tieren etwas näher. Beim Start morgens in Martigny war eine Abordnung von Hundeführern mit Bernhardinern anwesend (siehe dazu Bild links) und die in die Schweizer Landesflagge gehüllten vierbeinigen Herren der Berge ließen das Schauspiel mit einer Seelenruhe über sich ergehen, die beeindruckend war. Auch als wir mit unserem Chevrolet Cruze, mit dem wir bei der Tour in den Alpen unterwegs waren, langsam an einer solchen Hundestaffel vorbeifuhren, brachte das die beeindruckenden Gesellen nicht aus der Fassung. Irgendwie waren wir für die wohl alle Luft, und so kamen wir uns denn auch ein wenig vor, als seien wir von den Bernhardinern für einen Tag nur geduldet in ihrem eigentlichen Reich.

So allmählich neigt sich die alljährliche Frankreich-Rundfahrt ihrem Ende entgegen. Am Samstag steht mit dem mächtigen Mont Ventoux, dem kahlen Berg in der Provence, noch ein abschließender Höhepunkt der diesjährigen Grande Boucle auf dem Programm. Da das Fahrerfeld aber schon am nächsten Tag zur Schlussetappe in Paris über die Champs Elysées paradieren muss, steht anschließend der Transport des gesamten Trosses mit dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV (Train à grande vitesse) auf dem Programm. Und in einem solchem Fall, das muss man auch als leidenschaftlicher Autofahrer anerkennen, ist die Schiene der Straße einfach überlegen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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