Ford: 70 Jahre leichte Nutzfahrzeuge

Wer kennt sie nicht, die kleinen Alleskönner Ford Transit und VW Bulli. Leichte Nutzfahrzeuge, die als Kastenwagen und Camper eine automobile Hauptrolle spielten im Europa des Wirtschaftswunders. Kaum aber jemand weiß, dass dieses Duo denselben Vater hat:

Konstrukteur Alfred Haesner finalisierte zuerst den VW T1, um dann 1952 den Transit-Vorläufer FK 1000 zu projektieren und im Folgejahr als Eilfrachter zu vermarkten, bis dieser VW-Verfolger 1965 zum Transit mutierte und sich so als europäischer Marktführer unter den leichten „Nutzis“ etablierte. Beim Kultstatus liegt der Bulli zwar weiter vorn, aber auch der Transit erreichte längst Legendenstatus. Schon in der Aufbauära sorgte der Ford FK 1000 als schnellster Kastenwagen für Furore, ab den Swinging Sixties vertrauten viele Popbands auf die Tourbus-Talente des Transit, und schließlich erklärte Scotland Yard den flotten Ford zum meistgesuchten Van Großbritanniens: „In 95 Prozent aller Banküberfälle setzten die Täter auf einen Transit“, meinte 1972 ein Polizeisprecher. Ford förderte dieses Need-for-Speed-Image umgehend durch Supervans für Tempoweltrekorde. Im 21. Jahrhundert wuchs der Transit zur Modellfamilie in vier Größen, um dann das Thema Elektrifizierung zu entdecken. So gibt es den Transit Custom seit 2019 als Plug-in-Hybrid, und zum 70. Jahrestag der Ford Transporter folgt der E-Transit. Vor allem startet der Transit Connect als erstes Kind einer Kooperation mit VW, die auch eine gemeinsame Plattform für kommende Transit und Bulli-Generationen kreieren wird.

Diese 2020 unterzeichnete umfassende Kooperation mit Volkswagen hatte sich Konzernboss Henry Ford II gewiss nicht vorstellen können, als er nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem „No!“ das Angebot der alliierten Siegermächte ausschlug, das Werk Wolfsburg in eigener Regie zu führen. Andererseits begann schon in jenen dunklen Nachkriegstagen eine erste Zusammenarbeit der Erzrivalen Ford und VW, denn 1948 wurde der wieder aufgelegte Ford Taunus zunächst im Werk Wolfsburg montiert. Gleich nebenan konzipierte Alfred Haesner den Volkswagen Transporter T1, musste dabei allerdings Rücksicht nehmen auf die Käfer-Konstruktion mit für schwere Lasten zu schwächlichem 18 kW/25 PS leistendem Heckmotor. Umso spannender erschien dem 1952 zu Ford Köln gewechselten Haesner der mit kräftigen 23 kW/38 PS aufwartende Motor aus der Limousine Taunus 12 M, der den modern gezeichneten Lastesel Ford FK 1000 in Fahrt brachte. FK 1000, dieser Typencode stand für Ford Köln und stolze 1.000 Kilogramm Nutzlast (gegenüber 750 Kilogramm beim ersten VW T1), die Modellbezeichnung inspirierte aber auch zum Werbeslogan „Die Feuerwehr fährt 100 Sachen“ und dem Begriff Eilfrachter. Die Medien texteten daraus den „rasenden Raum“, erkannten aber auch schnell die Achillesferse des furiosen Ford.

Der beim Karosseriebauer Drauz in Heilbronn eingekleidete Kölner Leichtlaster litt an einer konstruktiven Schwäche, die Entwickler Haesner und der leitende Ingenieur Alfons Streit zugunsten maximalen Ladevolumens in Kauf genommen hatte. In unbeladenem Zustand war der FK 1000 durch den sehr weit vorn platzierten Frontmotor kopflastig und hoppelte dann unwillig über Straßen, zumal diese nicht selten Kopfsteinpflaster trugen. Erst eine modifizierte Plattform ermöglichte die Verschiebung des Vierzylinders Richtung Cockpit und damit ruhigere Fahrt. Nun kletterten die Verkaufszahlen des ab 1960 Taunus Transit genannten Transporters in lichte Höhen, dies allerdings vor allem in Deutschland. So fiel der Vergleich mit Wettbewerbern der Borgward-Gruppe, von Tempo oder DKW zwar erfreulich aus, der von Beginn an globale VW-Besteller Bulli spielte aber in einer höheren Liga: 255.832 Transit vs. 1.535.595 Volkswagen Transporter lautete 1965 das Fazit, als der erste Transit einer neuen Generation Platz machte.

Henry Ford II persönlich schob den Nachfolger als globales Projekt an. „Rotkäppchen“ (englisch: „Redcap“) lautete der Tarnname für den neuen Transit, der im amerikanischen Ford-Hauptquartier konzipiert und anschließend in Deutschland und Großbritannien serienreif gemacht wurde. Tatsächlich revolutionierte dieser später weltweit vertriebene Transit ab 1965 das Transportsegment durch über 50 unterschiedlichen Aus- und Aufbauvarianten, optionale Diesel-Motorisierung und als kultiger Kasten für Familie, Freizeit oder Popbands. Für viele Kölner Ford-Mitarbeiter wurde der komfortable Laderiese favorisiertes Familienauto, wenn es in den Werksferien in die türkische Heimat ging. Nicht ohne Grund ist seit 2004 das Transit-Werk Kocaeli (Türkei) einer der wichtigsten Produktionsorte für den bis dahin bereits fünf Millionen Mal verkauften Bestseller.

Auch Emotionen freisetzen konnte der nutzwertige Ford von Beginn an reichlich. Sei es auf Rennstrecken als 240 km/h galoppierender wilder Reiter mit Le-Mans-Motor des Ford GT (ab 1972), als 270 km/h schneller Supervan 2 mit Wohnwagen auf dem Haken (1985), als Transit Supervan III (1995) mit einem 485 kW/650 PS freisetzenden Cosworth-V8 aus der Formel 1, unverglaster Kastenwagen, der Stuntsprünge über 15 Pkw absolvierte (ab 1972) oder als seefestes Amphibienfahrzeug für vergnügliche englische Bootsrennen (ab 1980). Dann gab es die Schlagzeilen generierenden Fotos vom Transit als Reisemobil für Elefanten (1965), vom Transit-Linienbusverkehr auf der Marathondistanz London-Australien (16.000 Kilometer) und den Relax-Bussen von Bands wie The Tremeloes, Status Quo oder Coldplay. Nicht zu vergessen der Auftritt der spektakulären, 7,40 Meter langen Transit-Stretch-Limousine (2007) oder jener von Paparazzi verzweifelt gesuchte weiße Transit Kastenwagen, den die britischen Royals William und Kate 2013 während ihrer Verlobungszeit in Anglesey für Inkognito-Touren nutzten.

Hinzu kamen Dynamiker wie der Transit Sport von 2006 als erster Serienkastenwagen mit Le-Mans-Dekor oder der Nugget im Club der populären Campervans. Einer für alle sollte der Transit von Beginn an sein und in den bis heute sieben Transit-Generationen spiegelt sich dies. Ab 2012 ergänzten deshalb die drei Formate Transit Courier, Transit Connect und Transit Custom das Sortiment unterhalb des Fullsize-Transit, der inzwischen mit VW Crafter oder Mercedes Sprinter konkurriert. Außerdem komplettieren die Pkw-Versionen Tourneo Courier bis Custom das Portfolio – da verliert sogar mancher Ford-Händler die Übersicht. Die Krone des Klassenprimus als erfolgreichste Marke leichter Nutzfahrzeuge sichert sich Ford damit seit 2014 souverän, nicht nur Volkswagen, auch die nachgewachsene Konkurrenz aus Mercedes, Peugeot, Citroen und Fiat hat das Nachsehen.

Vom frühen Schnell-Laster zum modernen Familien- und Freizeitfahrzeug, damit schrieb der Transit ähnlich viel Alltagsgeschichte wie die Transporter von VW. Künftig geschieht das gemeinsam, ab 2023 teilt sich sogar die Nutzfahrzeugversion des VW T7-Bulli die Basis mit dem nächsten Transit Custom: Alles wird anders und zugleich bleiben die beiden beste Freunde und Feinde auf dem Markt.

Fotos: Autodrom, Ford, Ford UK

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