Horst Scharfenberg: Die echte Landfrauenküche. Aus Deutschlands Küchen. Weltbild Verlag; 9,95 Euro.
Wenn man sich durch die nachmittäglichen Fernsehprogramme zappt, kann man sich schon mal fragen, auf welchem Kanal eigentlich gerade NICHT gekocht wird. Und in den entsprechenden Abteilungen großer Buchhandlungen – heißen die nun Kochen, Genießen, Essen und Trinken – findet man sich ohne Orientierungshinweise schon kaum mehr zurecht, wenn man auf die Schnelle etwas sucht, zu unübersichtlich ist das Angebot am Buchmarkt.
Und dann schafft es Horst Scharfenberg, diesem Angebot noch ein wirklich originelles Exemplar hinzuzufügen. Er hat sich auf die Suche gemacht nach Rezepten vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte. Was er fand, war teilweise noch in Sütterlin geschrieben, und manche der Rezepte musste er nach eigenem Nachkochen für unsere Zeit anpassen. Das Grundprinzip ist immer gleich: Aus wenig macht man viel, das galt für alle Regionen in Deutschland, als der Wohlstand noch nicht auf heutigem Niveau war und nicht alles, worauf man gerade Lust hatte, zu erschwinglichen Preisen übers ganze Jahr zur Verfügung stand.
Fast noch lesenswerter als die Rezepte sind folglich die Kommentare, an denen Horst Scharfenberg nicht spart. So entlarvt er das in die Boulette gemogelte o als lächerlichen Versuch, ein bodenständiges Gericht Berliner Küche doch noch irgendwie fein klingen zu lassen. Aber eine Bulette (sie heißt so und nicht anders) erhebt gar nicht den Anspruch, fein zu sein, was ihrer Beliebtheit keinen Abbruch tut. Entsprechenden Mogelpackungen mit sehr viel Brot hat der Gesetzgeber übrigens einen Riegel vorgeschoben: Mindestens siebzig Prozent Fleisch müssen schon enthalten sein. Aber wer ganz sicher gehen will, schreitet eben selbst zur Tat bzw. an den Küchentisch.
Auch die Käsesahnetorte bekommt als Modeerscheinung ihren spöttischen Kommentar ab. Und dann stellt der Autor kurzerhand das sehr alte Rezept eines Käsekuchens daneben. Der wird nach dem Backen sehr flach aussehen und sicher keinen Torten-Designwettbewerb gewinnen. Aber in erster Linie soll er doch gut schmecken, und das tut er nur, wenn viel von dem drin ist, was der Name behauptet: Käse, also Quark, der andernorts auch schon mal Glumse genannt wird.
Besonders bedenklich stimmt es, wenn Scharfenberg bei einem Rezept für Schinken mit Schmant (ja, die dicke saure Sahne schreibt sich am Ende je nach Region mit t oder d) darauf hinweist, dass die Schinkensorte sehr sorgfältig gewählt werden muss, damit das Ergebnis nicht versalzen oder verräuchert schmeckt. Schon seltsam: Erdbeeren bekommt man, wenn's unbedingt sein muss, heute auch mal im November, aber einen Schinken, der sich zum Braten eignet, muss man mit viel Mühe suchen.
So schreibt Horst Scharfenberg nicht nur ein Kochbuch mit Geschichte und Geschichten (nicht umsonst erwähnt er im Vorwort, dass er nach dem Vorbild der Brüder Grimm zu Werke gegangen ist), sondern eine vergnügliche Abhandlung über Sitten und Unsitten, Moden und Klassiker des Kochens, Essens, Trinkens und Genießens.