Test-Tour: Mitsubishi Lancer Evolution X MR

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Der Mitsubishi Lancer ist eigentlich eine ganz normale Mittelklassen-Limousine. So wie es etliche in der Szene gibt. Hängt man jedoch drei Buchstaben an die Namensbezeichnung dran, so wird aus der gemeinen japanischen Reisschüssel ein richtiger asiatischer Feuertopf. Ich werd' bekloppt, der neue Evo, brachte es der junge Mann aus der Nachbarschaft dann auch sofort auf den Punkt, als die zehnte Version des Mitsubishi Lancer Evolution in der hochwertigen MR-Ausstattung eines Morgens vor der Tür stand.

Mächtige Schnauze mit riesigen, vergitterten Lufteinlässen, hinten dicke Backen, unübersehbare rote Brembos an den Felgen und dann natürlich ein grandioser Heckbürzel, der für den nötigen Anpressdruck des Lancers und dessen 295 PS starken Zweiliter-Turbo-Maschine bei 6500 Umdrehungen sorgen soll. Das unübersehbare Teil auf dem Kofferraum polarisiert: Für die einen ist es Hardcore-Kult einer ultimativen Fahrmaschine, für die anderen ist es nur ein proletenhafter Krawall-Donnerbalken. Fest steht jedoch: Nummer zehn der Serie vereinigt die gewohnten Attribute des Evo wie satter Vortrieb, Straßenlage à la Pattex und das Image des Streetfighting man mit den Tugenden eines eher Komfort-orientierten Sportwagens. Der Evo, und das haben auch schon die beiden Vorgänger angedeutet, wird vom fauchenden Ungeheuer zum muskelbepackten Partylöwen. Die Konkurrenten sollen in Zukunft nicht in erster Linie Subaru WRX Sti, sondern Audi S4 oder BMW M3 heißen.

Turbo-Motoren, die mit viel Liebe und allerlei technischem Aufwand zu Hochleistungs-Kandidaten getrimmt werden, säumen die Geschichte der Evo-Editionen des Hauses Mitsubishi. Das ist auch in diesem Fall nicht anders, doch mit 295 PS haben die Mitsus noch einmal 15 PS drauf gepackt, und so allmählich stößt das Aggregat an seine natürlichen Grenzen. Zudem wuchtet er jetzt 365 Newtonmeter an Drehmoment bei 3500 Umdrehungen auf die Kurbelwelle. Der ehemals aus Grauguss bestehende Motorblock hat als Aluminium-Teil zwölf Kilo an Gewicht verloren.

All das hat an der Charakteristik des Fahrzeugs nichts verändert, was aber mit Sicherheit auch nicht im Sinne des Erfinders war. Nach wie vor will der Motor, was beim Verhältnis von Leistung zu Hubraum nicht verwundert, hochgejubelt werden, dass es eine Lust ist. Dass wir dabei im Umgang mit der japanischen Drehorgel auf gute 13 Liter feinsten Superkraftstoffs kamen, dürfte ebenfalls nicht zu verwundertem Augenreiben führen. Auch wenn wir damit fast drei Liter über der Werksangabe lagen.

Nicht nur beim Motor, auch beim Getriebe hat sich einiges getan. Unser Testwagen war ausgerüstet mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, das in seiner Wirkungsweise von VW und Audi her bekannt ist. Damit ist für Kraftschluss ohne Leistungsverlust gesorgt, was sich vor allem beim Herausbeschleunigen aus engem Kurvengeschlängel positiv bemerkbar macht. Wie der Fahrer die Kraft auf die Straße bringen will, bleibt ihm überlassen, der Möglichkeiten gibt es genügend: Normal, Sport, Super-Sport oder Manuell. Wer den Evo allerdings richtig bei den Hörnern packen will, ist mit dem manuellen Modus (am besten mit den Schaltwippen am Lenkrad und nicht dem konventionellen Knüppel) oder dem Super-Sport-Modus am besten dran.

Die sprichwörtlich spektakulären Fahrwerkseigenschaften des Evo beruhen auf der jeweils gültigen neuesten Allrad-Technik. Bei Nummer zehn nennt sich diese S-AWC (Super All Wheel Control), mit dem so genannten Torque Vectoring, einer aktiven Verteilung des Drehmoments zwischen den Hinterrädern im Verhältnis von bis zu 70:30. Was bedeuten die ganzen supermodernen Errungenschaften aber letztendlich für die Arbeit am Volant? In unserem Falle: Übersteuern oder Lastwechselreaktionen auf einer dem öffentlichen Straßenverkehr nicht zugänglichen Strecke sind auch im Extremfall gleich null. Stimmt man dann das Fahrzeug mittels des bekannten Wählhebels auf Asphalt, Schotter oder Schnee (womit wir uns in diesen Tagen zugegebenermaßen etwas schwer taten) ab, kommt Fahrfreude pur auf.

Wer so viel heißblütige Tanzwut auf das Asphalt- oder Schotterparkett legt, der braucht auch ein Blechkleid, das nicht verrutscht. Weshalb die Torsionssteifigkeit des Evo im Vergleich zum normalen Lancer dank zusätzlicher Schweißpunkte und Verbindungselemente sowie verstärkter Federbeinlager erheblich erhöht wurde. Verwindungen finden deshalb nicht statt, die Verarbeitung sorgt für ein knarz- und knatterfreies Fahrvergnügen in jeder Situation. Zusätzlich unterstützt durch den immensen Anpressdruck auf die Hinterachse, der durch den riesigen Heckspoiler hervorgerufen wird. Der gewaltige Flügel ist also nicht nur optische Ahnenpflege, sondern unersetzlicher Stabilisator der gesamten Fahrzeugkomposition.

Ein bisschen Zahlensalat noch vor unserem Fazit: Der neue Evo beraucht für den Sprint von Null auf 100 km/h 6,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 242 km/h, der CO2-Ausstoß bei 245 g/km. Die MR-Version mit Doppelkupplungsgetriebe und Sportfahrwerk kostet 53.850 Euro. Dafür erhält man ein Fahrzeug, das vom Fahrvergnügen her nicht nur in der Champions League spielt, sondern dort auch große Chancen hat, sich gegen die eingangs erwähnten Platzhirsche zu behaupten.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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