Der Schock war groß Ende des vergangenen Jahres, als der japanische Automobil-Hersteller Honda das Ende seines Engagements in der Formel 1 bekannt gab. Jahrelang war Honda ein Schwergewicht im weltweiten Formel 1-Zirkus gewesen. Der Rückzug eines der bedeutendsten Teams signalisierte damals überdeutlich, dass die internationale Finanz- und Automobilkrise nun auch den Motorsport endgültig erreicht hatte. Die weiteren Schreckensmeldungen ließen nicht lange auf sich warten: Erst teilten Subaru und Suzuki mit, dass das Geld für ein weiteres Verbleiben in der Rallye Weltmeisterschaft nicht mehr ausreichte, dann verabschiedete sich auch noch Kawasaki aus der Moto-GP. Das Desaster war komplett. Jetzt gibt es zumindest in Sachen Honda und Formel 1 mal wieder positive Schlagzeilen zu vermelden.
Denn seit diesem Freitag steht der Teilnahme des ehemaligen Honda-Rennstalls an der Formel 1-Saison 2009 nichts mehr im Wege. Nachdem lange über einen Verkauf des eigenen Rennstalls spekuliert worden war, steht nun fest, dass ein wahrer Insider in Zukunft die Geschicke des Rennstalls leiten wird: Ross Brawn, derzeit Technik-Direktor von Honda, ehemaliges Superhirn von Ferrari und einer der Väter der vielen Erfolge des deutschen Rennfahrer-Denkmals Michael Schumacher. Honda selbst gab heute in einer kurzen Pressemitteilung bekannt, den eigenen Rennstall an Brawn verkauft zu haben. Die vergangenen Monate waren extrem herausfordernd für das Team, aber die heutige Bekanntgabe ist das sehr erfreuliche Ergebnis unserer energischen Bemühungen zur Sicherung seiner Zukunft, sagte der neue Besitzer in einer Stellungnahme. Die in Großbritannien ansässige Honda GP Holdings Ltd, die alle Aktivitäten des F1-Rennstalls gemanagt hatte, verkaufte sämtliche Anteile an Brawn. Der neue Rennstall firmiert nun unter dem Namen Brawn GP Formula One Team. Unter der Haube arbeiten in der neuen Saison übrigens keine Honda-Motoren, sondern Triebwerke von Mercedes.
Seit dem im Dezember 2008 verkündeten Ausstieg von Honda waren immer wieder neue Spekulationen um den im englischen Brackley ansässigen Rennstall aufgetaucht. Unter anderem war ein mexikanischer Öl-Milliardär als neuer Eigner ins Gespräch gebracht worden. Diese Theorie zerschlug sich allerdings recht bald. Wir sind sehr erfreut, dass wir das Team an Ross Brawn verkaufen konnten, mit dem wir an den Herausforderungen des F1-Wettbewerbs teilnahmen, und sind dankbar für seine Entscheidung, sagte am Freitag Hiroshi Oshima. Der Automobilmanager ist bei Japans zweitgrößtem Autokonzern zuständig für den Motorsport.
In der Saison 2008 hatten der Brite Jenson Button und Michael Schumachers ehemaliger Teamkollege bei Ferrari, der Brasilianer Rubens Barrichello, die beiden Boliden der Japaner gefahren. Daran wird sich auch 2009 nichts ändern. Brawn bestätigte unmittelbar nach der Vertrags-Unterzeichnung, dass er an beiden Piloten festhalten werde. Sie sollen zum Saisonauftakt beim Grand Prix in Australien Ende dieses Monats an den Start gehen. Beide kennen die Gepflogenheiten beim ehemaligen Honda-Imperium gut, sie sind seit drei Jahren Stammfahrer dort.
Wieviel der gewiefte Geschäftsmann Brawn letztendlich für seinen privaten Rennstall hinblättern musste, wurde nicht bekannt. Darüber bewahrten, wie es im Jargon heißt, beide Parteien Stillschweigen. Im Raum steht die unbestätigte Summe von 80 Millionen Euro. Fest steht allerdings: Jetzt, nachdem die Formalitäten erledigt sind, beginnt für Brawn und seine Mannschaft die harte Alltagsarbeit: Das neue Team wird zunächst vor dem Saisonstart in Melbourne an Tests in Spanien teilnehmen. Auf dessen Abschneiden darf man gespannt sein. Wunderdinge werden wohl nicht zu erwarten sein, aber ein Mann wie Ross Brawn, der die Formel 1 wie seine Westentasche kennt, wird sich nicht Hals über Kopf in ein unüberschaubares Abenteuer gestürzt haben.
Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Honda