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Nana Mouskouri: Stimme der Sehnsucht. Meine Erinnerungen.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag; 19,90 Euro.

Was macht einen Weltstar aus? Im Falle von Nana Mouskouri lautet die Antwort: Harte Arbeit, auf Dauer, Überzeugungsarbeit – und weit weniger glückliche Fügungen oder Begünstigungen, als man es bei jemand vermuten könnte mit weltweit über 250 Millionen verkauften Tonträgern. Die Autobiographie der 1934 geborenen Sängerin ist fast auf jeder Seite für eine Überraschung gut – und das völlige Kontrastprogramm zu der gegenwärtig praktizierten Medienkultur, nach der jeder Mensch ein Star werden kann, jedenfalls für kurze Zeit – völlig egal, ob er (oder sie) irgend etwas an Starqualitäten zu bieten hat.

Spaß gemacht hat es Nana Mouskouri zum Beispiel, mit Udo Lindenberg aufzutreten: In dem für ihren damaligen Stil typischen bunten Kleid sang sie 1981 bei Bios Bahhof im Duett den Klassiker Alles klar auf der Andrea Doria – Lindenberg kam so, wie man ihn bis heute kennt, in Hut und Mantel. Das mag nicht wenige überrascht haben, die Nana Mouskouri als eher brave Schlagersängerin von besonders seichtem Material eingeschätzt hatten. Und tatsächlich ist ihr vor allem durch die so typische Schmetterlingsbrille unverkennbarer Auftritts-Stil ja auch oft genug porträtiert worden nach dem Motto: Irgendein Kleid, Kassenbrille, fertig ist der todsichere Gag.

Die Realität sieht anders aus, vielseitiger: Als junge Frau begeistert sie, in bescheidenen Verhältnissen in Griechenland aufgewachsen, Quincy Jones und Harry Belafonte. Die von ihr bewunderte Maria Callas spricht ihr Mut zu, aber in den frühen sechziger Jahren wird ihr Äußeres von manchen einflussreichen Größen im Showbusiness als sicherer Karriereblocker angesehen, da mag sie noch so beeindruckend singen. Aber sie reduziert ihr Gewicht, stellt ihre Ernährung um und befolgt in Kleidungsfragen die behutsam vorgebrachten Ratschläge einer guten Freundin – nicht aus einem Anpassungsdruck heraus, sondern sie entdeckt die Freude an der Veränderung.

Aber den schlimmsten Kampf ihres Lebens muss sie bestehen, als sie sich Mitte der siebziger Jahre scheiden lassen will. Ihre Ehe, aus der zwei Kinder hervorgehen, ist gescheitert, und so möchte sie nicht nur getrennt vom Ehemann leben, sondern geschieden werden. Ausgerechnet von ihren Eltern kommt heftiger Widerstand: Eine Trennung wäre akzeptabel, ja, aber die Konsequenz einer Scheidung wird von den Eltern für das eigene Leben als Schande gesehen. Nana Mouskouri riskiert keinen Streit, aber sie zieht ihr Vorhaben durch – wie meistens, wenn sie von etwas felsenfest überzeugt ist.

Das hätte ihr helfen können, als sie – voller Idealismus – mit 60 Jahren in die Politik ging. Doch als Abgeordnete im Europäischen Parlament erfuhr sie vor allem die Enttäuschung, wie wenig mit einem solchen Mandat tatsächlich bewirkt werden kann.

Dass sie Fehlschläge nicht verschweigt und Widerstände nicht ausspart, macht Stimme der Sehnsucht zu einem außergewöhnlichen Buch. Vielleicht hat – indirekt und ohne dass er es wissen konnte – ein anderer berühmter Entertainer zu Mouskouris sympathischer Lebensphilosophie beigetragen: Als sie 1974 etwa zeitgleich mit Frank Sinatra eine Australien-Tournee absolvierte und ihn persönlich kennenlernte, spürte sie seitens des Kollegen pures Desinteresse. Bei allem Können schien ausgerechnet Mr Ol'Blue Eyes sich nur für die eigene Person zu interessieren. So viel Egozentrik wollte sie selbst niemals entwickeln – sagte sich die Sängerin nach der Begegnung. Auch diesen Vorsatz hat sie mit Erfolg in die Tat umgesetzt.

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