Dass ein Rennen älter ist als die Rennstrecke, die immerhin schon mehr als 80 Jahre auf dem Buckel hat, dürfte in der Geschichte des Motorsports zu den absoluten Raritäten gehören. Aber der Nürburgring wäre nicht einer der exponiertesten Kurse weltweit, wenn er nicht immer wieder zu außergewöhnlichen Schlagzeilen fähig wäre. So auch am Wochenende beim Eifelrennen, das der ADAC unter der Überschrift Eine Legende kehrt zurück seit vielen Jahren wieder organisiert hatte. Und diese Veranstaltung blickt tatsächlich auf eine Geschichte zurück, die älter ist als diejenige der traditionsreichen Grünen Hölle. Von 1922 bis 1926 wurden unter dem Titel ADAC Eifelrundfahrt vier Rennen rund um Nideggen ausgetragen. Erst mit der Eröffnung des Nürburgrings im Jahr 1927 verlegte der damalige Veranstalter, der ADAC Rheinland (Vorläufer des heutigen ADAC Nordrhein), sein Rennen auf die neue Rennstrecke und gab ihm den Namen ADAC Eifelrennen.
Mit dem Eifelrennen wurde der Nürburgring 1927 eröffnet. Seitdem starteten vom Sieger des ersten Rennens, dem Remagener Rudolf Caracciola, bis hin zum siebenmaligen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher alle großen Rennfahrer ihrer Zeit bei dem legendären Rennen. Auch bei der Neuauflage der traditionsreichen Motorsport-Veranstaltung, bei der Motorräder und Autos an den Start gingen, war die Besetzung hochkarätig, In den 60er und 70er Jahren zählte das Rennen sogar zur Motorrad-Straßenweltmeisterschaft.
Von den legendären Vorkriegsfahrzeugen wie dem Mercedes-Benz S, mit dem Caracciola das Eröffnungsrennen gewann, bis hin zum sechsrädrigen Tyrrell P34/5-Formel-1-Boliden aus den späten 70er Jahren, nahmen die Besucher an diesem sonnenüberfluteten Wochenende die jahrzehntelange Evolution des Motorsports hautnah unter die Lupe. Fahrer der Extraklasse wie Ringkönig Klaus Ludwig, oder die früheren Formel-1-Piloten wie Jochen Mass oder David Piper, nahmen hinter den Volants der der Jahrzehnte alten Fahrzeuge Platz.
In beiden Fahrerlagern konnten die Boliden einer glorreichen Vergangenheit aus nächster Nähe inspiziert werden, aber auch auf der Strecke reihte sich bei insgesamt 13 Rennen, Revivalfahrten und Gleichmäßigkeitsprüfungen ein Höhepunkt an den anderen. Bei den fast 1.000 gestarteten Fahrzeugen stimmte an diesem Wochenende aber nicht nur die Masse, sondern auch die Klasse. Die Siegerwagen der großen Rennsport-Events der 20er und 30er Jahre gibt es sonst fast nirgendwo mehr zu sehen. So brachte beispielsweise das Mercedes-Benz-Werksmuseum einen 120-PS-Rennwagen mit, der vor genau 100 Jahren im französischen Dieppe den ersten Grand-Prix-Sieg in der Unternehmensgeschichte einfuhr.
Die großen Konkurrenten von damals, die Alfa Romeo P3, knüpften auf dem Nürburgring ebenso an die Vorkriegs-Grand-Prix an wie der Mercedes-Benz W 154 Silberpfeil aus dem Jahr 1939, den Jochen Mass im Mercedes-Sonderlauf noch einmal auf der Strecke ausführte. Ein ganz besonderer Gast, der ein großer Freund und Kenner des Motorsports ist, obwohl er dort nicht seine Wurzeln hat, reihte sich in die Phalanx der vielen Promis ein: Tony Smith, Manager der Rock-Gruppen Genesis und Pink Floyd startete im Feld der historischen Formel 1. Das war im wahrsten Sinne Rock am Ring einmal ganz anders und authentischer als gewohnt.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun