Erste Erfahrungen: Mercedes S 400 BlueHybrid

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Mercedes hat das Automobil erfunden. Den Hybrid der Neuzeit konnten sie nicht mehr erfinden, aber es genügt auch einmal, die erste Lithium-Ionen-Batterie für den Automobilbau in Serie zu bringen, um das schwäbische Tüftlerherz zu erfreuen.

Was fällt Ihnen auf?, fragt Michael Allner, Baureihensprecher für die S-Klasse nach den ersten Kilometern im neuen Mercedes S 400 BlueHybrid. Dass die schwarze Luxuslimousine als erstes Serienfahrzeug mit Lithium-Ionen-Batterien fährt, jedenfalls nicht. Auch dass die ausgeklügelte Motorsteuerung des ersten Pkw-Hybridmodells der Stuttgarter schon kurz vor jedem Ampelstopp den Motor anhält und Sekundenbruchteile vor dem Losfahren wieder startet, fällt nicht auf. Das Motorengeräusch ist in der ohnehin leisen S-Klasse kein Thema und so merkt man auch nur, wenn man den Drehzahlmesser im Blick hat, dass der Sechszylinder manchmal nichts tut. Damit folgt er genau den Vorgaben der Mercedes-Entwickler und macht an dieser Stelle eigentlich nichts anderes, als man von einem modernen Hybrid-Pkw erwarten würde. Wenn der Motor nicht gebraucht wird, läuft er eben auch nicht. Das ist schon nach wenigen Kilometern so normal, dass man es den Kunden, die ab Juni 2009 die ersten Exemplare erhalten werden, kaum erklären müssen wird. Es wirft höchsten die Frage auf, warum bei normalen Autos der Motor bei jedem Stopp weiter läuft und sinnlos Sprit verbraucht beziehungsweise CO2 erzeugt.

In der S-Klasse macht er das jedenfalls nicht, was einen Teil des Verbrauchsvorteils von rund 20 Prozent und genau 2,2 Litern erklärt, den der Hybrid gegenüber dem normalen S 350 nur mit Benzinmotor erzielt. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 7,9 Litern und einem CO2-Ausstoß von 190 Gramm ist er der neue Spitzenreiter und den sparsamen Luxuslinern. Um den Sparrekord zu realisieren, waren umfangreichen Umbaumaßnahmen am normalen S 350 nötig. Zu erst einmal wuchs die Getriebeglocke um vier Zentimeter in die Länge. Das schaffte Raum für einen kompakten 15 kW starken Permanentmagnet-Elektromotor. Außerdem musste die Leistungs- und Steuerelektronik des Hybridmoduls, der Generator und nicht zuletzt die Lithium-Ionen-Batterie untergebracht werden. Den Kunden braucht das alles wenig zu kümmern, da er keinerlei Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Alles fand Platz unter der Motorhaube. Anders als beim Oberklassehybridvorreiter Lexus bleibt der Kofferraum in diesem Fall vollständig erhalten. Mercedes setzt beim S 400 BlueHybrid einen Mild-Hybrid ein. Im Gegensatz zu Lexus kann der Benz nicht rein elektrisch fahren und er ist nicht auf sparsame Höchstleistung mit Hybrid getrimmt, sondern auf maximale Kraftstoffeffizienz bei ausreichender Motorisierung. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Kunden, die in dieser Klasse einen Hybrid wollen, mit gutem Gewissen und wenig Verbrauch eine luxuriöse Limousine fahren wollen. Dabei geht es nicht um maximale Leistung. Wer die sucht, wird bei traditionellen Achtzylindermotoren fündig und ist auch weniger sensibilisiert für das Thema CO2-Vermeidung. Ein sparsames Verzichtsautos ist der S-Hybrid deswegen noch lange nicht. Zu den 205 kW/279 PS des Sechszylinders addieren sich 15 kW/20 PS zu einer Gesamtleistung von 220 kW/299 PS. Das genügt locker, um die standesgemäße Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zu erreichen oder in 7,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu sprinten. Tatsächlich fühlt sich der Hybrid beim Ampelstart sogar noch schneller an, weil der E-Motor vom Stand weg immerhin 160 Newtonmeter bereitstellt und damit genau an der Stelle helfend eingreift, wo der Sechszylinder erst noch auf Touren kommen muss. Das macht sich allerdings in den Messwerten nicht bemerkbar, weil dort, anders als im Alltag, mit maximaler Drehzahl angefahren wird.
Neben diesem Boost-Effekt übernimmt der scheibenförmige E-Motor noch die Aufgaben von Anlasser und Lichtmaschine. Zudem ist er die Basis für die Start-Stopp-Funktion, die den Motor abschaltet, wenn der Wagen hält zum Beispiel bei einem Ampelstopp. Wenn es weitergeht, wirft der Elektromotor das Haupttriebwerk fast unmerklich wieder an.

Bei der Verzögerung des Fahrzeugs arbeitet der Elektromotor als Generator und kann durch die Rekuperation Bremsenergie zurück gewinnen. Diese wird in der Lithium-Ionen-Batterie im Motorraum gespeichert und bei Bedarf wieder abgerufen. Der Elektromotor verstärkt dabei die Motorbremse des Verbrennungstriebwerks. Beim Schubbetrieb ohne Betätigung des Bremspedals, arbeitet die E-Maschine wie ein Generator und beginnt mit der Rekuperation. Sobald der Fahrer die Bremse leicht betätigt wird die Generatorleistung proportional erhöht, was der Fahrer als stärkere Verzögerung wahrnimmt. Erst bei höherem Pedaldruck werden zusätzlich zur Rekuperation die Radbremsen aktiviert. Auf diese Weise kann einerseits mehr elektrische Energie erzeugt und andererseits das hydraulische Bremssystem geschont werden.

Den aktuellen Status des Hybridantriebs im S 400 Bluehybrid kann der Fahrer auch visuell verfolgen. Das Kombiinstrument informiert mit einer separaten Anzeigefunktion über den jeweiligen Energiefluss beim Boosten und Rekuperieren sowie über den Ladezustand der Batterie.

Herzstück des modular aufgebauten und besonders kompakten Hybridantriebs ist die neue, speziell für den Einsatz in Fahrzeugen entwickelte Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie. Wesentliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Nickel-Metallhydrid-Batterien sind die höhere Energiedichte und der bessere elektrische Wirkungsgrad bei kompakteren Abmessungen und geringerem Eigengewicht. Tatsächlich wiegt die Hybridbatterie gerade mal 25 Kilogramm und passt exakt an die Stelle im Motorraum, die sonst der Starterbatterie vorbehalten ist. Die Batterie ist sicher geschützt in einer stabilen Metallhülle untergebracht. Das für Lithium-Ionen-Speicher typische Kühlproblem haben die Schwaben dadurch gelöst, dass die Batterie vom Kältemittel der Klimaanlage mit gekühlt wird. Die Lithium-Ionen-Batterie dient nicht nur als Energiespeicher für den Elektromotor, sondern ist über den Wandler auch mit dem 12-Volt-Bordnetz verbunden, das Standardverbraucher wie die Scheinwerfer und die Komfortfeatures versorgt.

Dank der kompakten Abmessungen und der modularen Bauweise beträgt das Mehrgewicht des Gesamtsystems lediglich 75 Kilogramm. Der besondere Reiz des Systems liegt im Baukastenprinzip. Der E-Motor passt in die Getriebeglocke, die Batterie auf den Platz der normalen Batterie und was sonst noch nötig ist, kommt im wesentlichen an die Stellen, wo Komponenten saßen, die durch die Hybridtechnik ersetzt werden. So lässt sich der Mild-Hybrid grundsätzlich mit jedem V-Motor von Mercedes kombinieren. Es macht natürlich wenig Sinn, den Zwölfzylinder des S 600 damit zu unterstützen, aber der Diesel des 320 CDI ließe sich wohl hybridisieren. Entscheidender ist aber, dass der V6-Motor des S 350 von der C-Klasse bis zur R-Klasse in allen Baureihen mit Heckantrieb eingesetzt wird. Entsprechend könnte Mercedes, wenn die Kundschaft es verlangt, wohl relativ schnell weitere Modelle folgen lassen.

Was die neue Technik an zusätzlichen Kosten verursacht, behalten die Schwaben für sich. Der Preis des S 400 BlueHybrid steht noch nicht fest.

Text: Günter Weigel

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