Totgesagte leben manchmal länger. Quasi als Beweis stellt Seat, die spanische Dependance im VW-Markenverbund, den neuen Ibiza am 14. Juni in die Schauräume der Händler. Er steht als erstes Fahrzeug im Konzern auf einer neu entwickelten Plattform, noch bevor die Wolfsburger Verwandtschaft Polo diese nutzen kann.
Donner, Blitz und Wolkenbruch: Der Seat-Designchef Donckerwolke setzt mit seinem sportlichen und progressiven Blechkleid des Ibiza ein deutliches Zeichen. Schon die in Genf gezeigte Studie Bocanegra ließ erahnen, dass bei Seat der Mut zu einer aussagekräftigen Formensprache herrscht. Und tatsächlich: Die wichtigste Baureihe der Spanier beeindruckt durch ein gekonntes Wechselspiel von Kanten, Sicken und muskulös wirkenden Bereichen. Die Front wurde im so genannten Arrow Design gestaltet: Beleuchtungseinheiten und Kühlergrill sitzen nun tiefer und bilden zusammen mit der Linienführung der Frontklappe eine Pfeilspitze. Herausgekommen ist ein Bonsai-Macho, zumindest bei äußerer Betrachtung.
Trotz aller sportlichen äußeren Attitüde ist die Motorenauswahl am Kleinwagenmarkt orientiert. Die Aggregate sind alte Bekannte aus der dritten Ibiza Generation, wurden aber überarbeitet und sollen nun sparsamer ihren Dienst verrichten. Allerdings gibt es mittlerweile modernere und effizientere Triebwerke im Konzern, die aber in absehbarerer Zeit hier nicht verbaut werden.Rund zwei Drittel aller Bestellungen gehen wohl wie schon beim Vorgänger auf den 1,2-Liter-Benziner mit 51 kW/70 PS. Der Dreizylinder reicht für Fahrten im begrenzten Umfeld. Zwar ist er kein Sprinter, belohnt den Fahrer aber an der Zapfsäule mit mäßigem Verbrauch. (Spitze: 163 km/h, Verbrauch: 5,9 Liter, CO2-Ausstoß: 139 g/km) Darüber angesiedelt sind der 1,4 Liter mit 63 kW/85 PS und für Fahrer mit ein wenig Sportsgeist der 1,6 Liter mit 77 kW/105 PS. Genauso stark ist der 1,9 Liter Pumpe-Düse-Selbstzünder. Zwei weitere Diesel mit 59 kW/80 PS und 66 kW/90 PS folgen im Laufe des Jahres. Eine sparsame ecomotive Ausgabe, die CO2-Werte von unter 100 g/km erreichen soll, ist ebenso in Planung wie das Siebengang-DSG-Getriebe aus den VW-Regalen optional anzubieten. Bis dahin erfolgt bei allen Aggregaten die Kraftübertragung über eine Fünfgang-Schaltung. Das Fahrwerk ist kommod abgestimmt.
Der Innerraum ist konventionell gestaltet. Die gefahrenen Testwagenmodelle machten alle einen qualitativ guten Eindruck, nicht zu viel Hartplastik und Kunststoff-Applikationen. Mit einer Länge von 4,05 Metern gehört der Ibiza zu den Großen im Segment. Die neue technische Basis ermöglicht einen längeren Radstand von 2,47 m, so dass das Platzangebot ordentlich ausfällt. Das Kofferraumvolumen bewegt sich mit Werten zwischen 292 und 847 Litern auf üblichem Niveau. Hier stört eher die hohe Ladekante. Pfiffig ist die Idee, für mobile Navigationsgeräte einen kabellosen Systemstecker anzubieten. Die Geräte werden darin eingesetzt, am Ende der Fahrt nimmt man die Orientierungshilfe einfach wieder heraus. Keine Saugknopfhalterungen liegen im Weg herum und Langfinger haben das Nachsehen. Neben dem serienmäßigen Schleuderverhinderungsprogramm ESP punktet der Ibiza mit einer guten Komfortausstattung, die ab Werk außer einer Klimaanlage (Aufpreis: 900 Euro oder Serie ab zweitem Niveau) die wesentlichen Bedürfnisse erfüllt. In den zwei höheren Versionen bleibt dann kaum ein (Kleinwagen-)Wunsch offen – inklusive Nebelscheinwerfer mit Abbiegelichtfunktion. Wer möchte, kann sogar Bi-Xenon-Scheinwerfer samt Kurven- und Tagfahrlicht ordern. Am 12.490 Euro beginnt die Preisliste für den Fünftürer.
Falls ein Kleinwagen Träume hat, so fühlt sich der Ibiza vielleicht in seiner über-übernächsten Karosserie-Inkarnation zu Höherem berufen. In diesem Autoleben kann er aber schon helfen, die Absatzzahlen von Seat wieder nach oben zu treiben. Ein sportlicher Dreitürer und eine angekündigte Kombivariante werden sicherlich das Ihrige zu dieser Entwicklung beitragen. Und spätestens wenn die leistungsstarke Cupra-Version kommt, kann der Ibiza den Macho richtig heraus hängen.
Text: Elfriede Munsch