Buchtipp der Woche

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Heribert Prantl und Nina von Hardenberg (Hg): Schwarz-Rot-Grau. Altern in Deutschland.
Edition Süddeutsche Zeitung; 12,90 Euro.

Ein Anzug, in dem man sich fühlt, als sei man 30 Jahre älter – und in dem man auch so aussieht: Demnächst im Kino? Noch unveröffentlichte Romanskizze von Stephen King? Weder noch, sondern Forschung bei Audi. Und was beim ersten Lesen, pardon, vielleicht spinnert wirken mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als vorbildliche des Ingolstädter Autoherstellers. Denn: Die Menschen in unserer Gesellschaft werden immer älter, in absehbarer Zeit werden Arbeitsplätze für Menschen über 60 eine Selbstverständlichkeit sein, werden immer mehr Menschen über 60 ein Auto benötigen. Nur – auf all diese absehbaren Entwicklungen sind wir nicht vorbereitet. Das fängt bei so simplen Dingen wie Essen an: Je älter wir werden, umso mehr verändern sich die Geschmacksnerven – die Wahrnehmung von Geschmäckern wird schwieriger. Was vor diesem Hintergrund Mahlzeiten bewirken, die zwar für ältere Menschen zubereitet werden, aber eben nicht mit dem Hintergrundwissen – man kann es sich ausmalen: Wenn alles irgendwie gleich schmeckt, wird entsprechend immer weniger gegessen. Es fehlt an Vorbereitung auf die Bedürfnisse des Älterwerdens.

Nicht vorbereitet – das gilt noch für etliche andere Gesellschaftsbereiche, die hier zur Sprache kommen. Niedergelassene Mediziner etwa sind oftmals erschreckend ahnungslos über die ganz besonderen Gegebenheiten, die das Alter mit sich bringt. Eine Lungenentzündung, zum Beispiel, kann nicht unbedingt mit langer Bettruhe behandelt werden – die Gefahr, dass der Patient anschließend unbeweglich bleibt, muss zumindest ernsthaft beacht werden.
Stichwort Beweglichkeit: Während in Ingolstadt die Erfordernisse an das Auto für ältere Menschen erforscht werden, gelten Mediziner, die den Bewgungsapparat von Senioren ergründen, immer noch als Exoten. Unglaublich – wenn man genau hinsieht: Dass Menschen mit zunehmendem Alter leichter stürzen, buchstäblich hinfällig werden, wird oftmals hingenommen, muss aber nicht so sein. Entsprechend interessant ist es, wenn hier ein Mediziner zu Wort kommt, der wissen will: Mit welchen Trainings kann effektiv die Gefahr gesenkt werden, dass es zu Stürzen kommt?

Vielleicht ist ja Gateball eine gute Vorbeugung. Sie fragen sich, was Gateball ist? Aus gutem Grund, denn diese Sportart ist in Japan speziell für Senioren erdacht worden. Und die macht Spaß und weckt Ehrgeiz. Überhaupt Japan: Viel lässt sich in puncto Alters-Erforschung von dort lernen, wo es ganze Dörfer gibt, die aus 80-jährigen und älteren Menschen bestehen.

Bei aller Kritik, die hier geübt wird, bei allen Missständen, die aufgezeigt werden, stellen die Herausgeber doch eines ganz deutlich heraus: Wir werden immer älter, das ist in allererster Linie gut. Damit das Älterwerden auch Freude macht und sich die Bedingungen verbessern können, liefert Schwarz-Rot-Grau viele Anstöße.

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