Renault: 50 Jahre Dauphine

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Frankreich, Mitte der 1950er Jahre: Der kleine 4 CV von Renault verkauft sich in Frankreich wie warmes Baguette. Nur die Exportdaten befriedigen die Chefs in Billancourt nicht. Sie haben ein ehrgeiziges Ziel im Blick: Die Vereinigten Staaten von Amerika. Am 6. März 1956 präsentiert Renault vor 20.000 Gästen im Pariser Palais de Chaillot die Dauphine. Sie soll die Welt erobern.

Die Konstrukteure wählten das damals übliche Konzept mit Heckmotor und Heckantrieb. Vorteil: Optimale Traktion auch auf den damals weit verbreiteten schlechten Straßen. In Südeuropa, Südamerika und Afrika sind nicht asphaltierte Wege in ländlichen Gebieten zu dieser Zeit noch Standard. Die moderne Pontonkarosserie bietet Platz, und serienmäßig erhältliche vier Türen erweisen sich als Wettbewerbsvorteil. Und während in den Fünfzigern das Gros der Fahrzeuge noch in eher farblosem Look daherkommt, setzt der neue Renault mit Farbtöne wie Rouge Montijo oder Jaune Bahamas frische Akzente. Später kommen noch eine Luxusversion, eine Automatikausführung und diverse Sportvarianten hinzu.

Als Vater der Dauphine gilt der Renault Vorstandsvorsitzende Pierre Lefaucheux. Unter seiner Regie legt das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg einen furiosen Neustart hin. Im Gegensatz zum Ministerium für Industrieproduktion, das Renault zum reinen Lkw-Produzenten umwandeln will, setzt Lefaucheux konsequent auf den Bau von Personenwagen. Er setzt 1947 den Bau des 4 CV durch und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Massenmotorisierung Frankreichs: Bereits 1954 feiert Renault das 500.000ste Exemplar.

Lefaucheux' Traum ist jedoch in Amerika Fuß zu fassen, denn Renault und der französische Staat benötigen Devisen. Dazu braucht er einen Wagen, der größer, komfortabler und besser motorisiert ist als der 4 CV. Im Juli 1951 gibt er deshalb grünes Licht für das Projekt 109. Im Geheimen arbeitet eine kleine Gruppe Eingeweihter bereits seit Februar 1949 an dem Fahrzeug. Parallel dazu baut Renault sein Werk in Flins an der Seine aus. Hier soll das neue Modell entstehen. Lefaucheux erlebt den Serienanlauf nicht mehr: Am 11. Februar 1955 verunglückt er bei einem Autounfall tödlich. Sein Nachfolger wird Pierre Dreyfus, der das Projekt mit dem gleichen Elan weiterverfolgt.

Und bereits die Namenswahl demonstriert, dass Renault mit dem Neuling Großes vorhat: Dauphine heißt übersetzt Thronfolgerin. Als Schöpfer des klangvollen Titels gilt Marcel Wiriath, Direktor der Bank Crédit Lyonnais und Mitglied des Renault Verwaltungsrats. Auf einem Bankett erklärt er: Der 4 CV ist die Königin! Das neue Modell kann deshalb nur die Dauphine sein!

Das solcherart geadelte Auto wird von einem 845-Kubikzentimeter-Heckmotor mit 30 Brutto-PS angetrieben. Anders als beim Hauptkonkurrenten aus Deutschland ist der Vierzylinder wassergekühlt und dadurch deutlich leiser. Für die Frischluftzufuhr sorgen Einlässe vor den Hinterrädern. Die Kraftübertragung an die Hinterachse erfolgt über ein Dreigang-Getriebe, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 115 km/h gestoppt. Obendrein machen 380 Liter Kofferraumvolumen und 5,9 Liter Kraftstoffkonsum pro 100 Kilometer nach damaliger Messmethode die Kronprinzessin auch noch zum Familienauto.

Während in Flins das Fließband anläuft, schickt Dreyfus unter größter Geheimhaltung die ersten Dauphine in die USA. Dort sollen sie den Vertragshändlern als Lockvögel dienen. Und tatsächlich: Schon 1957 kaufen 28.000 Amerikaner eine Dauphine, 1958 sind es schon 57.000, und 1959 steigt die Zahl auf 102.000. Für den Transport gründet Renault eine eigene Gesellschaft und stattet sie mit genau jenen Liberty-Schiffen aus, mit denen die USA im Zweiten Weltkrieg ihre Alliierten mit Lebensmitteln und Nachschub versorgt hatten.

Auch in Europa ist das Auto gefragt: Montagewerke für die Dauphine finden sich in Belgien, Spanien, Irland und Großbritannien. In Italien baut und vertreibt Alfa Romeo ab 1959 den Renault unter dem Namen Dauphine-Alfa Romeo. Kurz darauf startet die Fertigung in Brasilien, Argentinien und Mexiko. Der Gang nach Indien scheitert zwar, dafür fasst Renault in Afrika mit Montagestätten in Algerien, Kamerun, Dahomey (heute Benin), dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik Fuß.

Der amerikanische Markt erweist sich allerdings als schwieriger als erwartet: Ab 1960 schlagen die amerikanischen Hersteller mit eigenen Compacts zurück und machen damit Importen aus Europa mächtig Konkurrenz. Außerdem gerät der amerikanische Markt in ein wirtschaftliches Wellental. Hausgemachte Probleme kommen hinzu: Jetzt rächt sich der schnelle und unkontrollierte Aufbau des Händlernetzes. Während die Konzessionäre bald keine Kredite mehr bekommen, liefert Renault ungeachtet der Überhitzungserscheinungen im selben Tempo wie bisher Autos nach. Als Folge stehen Zehntausende unverkaufte Fahrzeuge auf Halde. Damit endet das amerikanische Abenteuer.

In Europa bleibt die Dauphine eine feste Bank. 1961 erscheint die luxuriösere Variante Ondine. 1962 setzt Renault die Leistung auf 32 Brutto-PS herauf. Ebenfalls 1962 debütiert die limitierte Serie Dauphine 1093 mit 55-Brutto-PS-Maschine und Viergang-Getriebe, 1964 folgt die Automatikvariante mit hochmoderner Drucktastenvorwahl der Fahrstufen.

Im Rennsport macht die Dauphine erste Plätze bei der Mille Miglia, der Rallye Monte Carlo, den Zwölf Stunden von Sebring, der Tour de Corse und der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich. Ab 1957 nimmt sich obendrein Hexenmeister Amédée Gordini im Auftrag von Renault der Heckmotorlimousine an. Verschiedene werksgetunte Varianten tragen seinen Namen.

1965 kommt das Ende für die normale Dauphine, im Dezember 1967 läuft das letzte Gordini-Modell vom Band. Nach 2.150.738 Exemplaren tritt damit die Dauphine ab. Als Thronfolgerin für die 4-CV-Thronfolgerin steht schon der Renault 8 bereit.

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