Buchtipp der Woche

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Der Ball ist rund: Lesetipps zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006

Hermann Beckfeld/Werner Boschmann (Hg): Der Boss spielt im Himmel weiter. Fußball-Geschichten aus dem Ruhrgebiet. Verlag Henselowsky Boschmann (Bottrop); 14,90 Euro.

Ganz Deutschland ist im (Vor)-WM-Fieber, aber das Herz des Fußballs schlägt doch eindeutig im Ruhrgebiet. Dessen sind sich die Autoren der hier versammelten Geschichten rund ums runde Leder sicher. Absolut – nicht nur, weil hier die Heimat von Fußball-Legende Helmut Rahn ist. Stadion, Bolzplatz, Zweite Liga, Alte-Herren-Spieler…hier geht es um Fußball im Revier, um Kerle, die mit Freude und Ehrgeiz bei der Sache sind. In den guten Schuhen wird nicht Fußball gespielt , betitelt Helmut Rahn seine Geschichte. Auch Frank Goosen, der in seinen Roman-Bestseller Liegen lernen das Lebensgefühl einer ganzen Generation gepackt hat, konzentriert sich hier aufs runde Leder. Unter den Autoren ist auch einer, der nicht nur über den Spaß am Fußball, sondern auch über die enorm gesundheitsfördernde Wirkung des Sports weiß: Gib mich die Kirsche heißt die Geschichte, die Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer beigetragen hat.

Michael Schophaus (u. a.): Ich mach das Ding rein und fertig. Warum der deutsche Fußball Lukas Podolski braucht. Heyne Verlag; 7,95 Euro.

Ablösesummen in schwindelerregenden Höhen, öffentlich ausgetragene Management-Querelen und so weiter … etliche der nicht gerade wenigen Fußball-Schlagzeilen sind erstens negative und haben zweitens mit dem runden Leder an sich rein gar nichts mehr zu tun. Anders bei Lukas Podolski: Wenn über den gerade mal 20-Jährigen etwas zu lesen ist, dann geht es garantiert um Fußball-Begeisterung, um unbestrittenes Talent und eine atemberaubende Karriere. Und gerade seine Begeisterung könnte den Shooting-Star des Fußballs auch auf lange Sicht zum Publikumsliebling machen – Karriere hin, Ablösesummen her. Die Autoren dieses Porträts haben schon keinen Termin mehr mit Lukas Podolski bekommen – dessen Kalender war schlichtweg zu vollgepackt. Erfahren hat er von dem Projekt durchaus, aber kaum glauben können, dass sein Leben schon genug Stoff abgeben sollte für ein ganzes Buch? Das tut es aber: Als kleiner Junge mit den Eltern aus Polen nach Deutschland gekommen, entdeckt er ganz früh seine Liebe zum Fußball, spielt und trainiert konsequent, wird als Nachwuchstalent zeitig entdeckt und legt einen steilen Aufstieg hin. Bis heute interessiert ihn der Starkult um seine Person herzlich wenig, testet er lieber Computerspiele mit seinem Freund Bastian Schweinsteiger – und wehrt er sich vehement gegen all jene, die nun als vermeintlich langjährige Freunde in seinem Licht strahlen wollen. Kurz, der Mann weiß, was er will, und genau in diesem Sinne zeichnen die Autoren hier ein überaus sympathisches Portät von Prinz Poldi, der so gar nicht prinzlich daherkommt.

Klaus Theweleit: Tor zur Welt. Fußball als Realitätsmodell. Kiepenheuer & Witsch; 9,95 Euro.

Hat man verstanden, was auf dem Fußballfeld vor sich geht, dann versteht man auch, was in einer Gesellschaft vor sich geht – sagt Klaus Theweleit. Mit dieser These greift der Autor auf die eigene Biographie zurück: Als Flüchtlingskind im Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, hat er die ersten Ballübungen mit einer Schweinsblase bewältigt (echte Fußbälle gab es ganz einfach nicht) und sich dann – im wahren Wortsinn spielend – die Welt erschlossen. Dieses Muster bringt verblüffende Erkenntnisse zutage: So entdeckt Theweleit in der Ablösung der Bundestrainer Derwall und Vogts den Niedergang eines Führungsstils. Waren beide eher patriarchalisch geprägt und wirkten entsprechend auch gerne erzieherisch auf ihre Spieler ein (durchaus mit den besten Absichten!), so setzte sich allgemein just zu der Zeit doch überall mehr und mehr die partnerschaftlich orientierte Leitfigur durch. Wirkte letztere modern und zukunftsweisend, galt der Patriarch als Auslaufmodell – so enden Karrieren, auch im beliebtesten Volkssport.

An solchen Beispielen untersucht Theweleit die Wechselwirkungen von Sport und Gesellschaft. Dabei mahnt er übrigens an, was Spieler wie Podolski zu Sympathieträgern macht: Weg vom Geld-Denken, weg vom bloßen Management-Handeln, hin zum eigentlichen Mannschafts-Spiel – dann bleibt die Sportart No. 1 auch künftig eine sympathische. Und eine, von der sich allgemein so einiges lernen lässt.

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