CD-Tipp der Woche

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Lordi: The Arockalypse (Drakkar/Sony BMG)

Die spinnen, die Finnen! Schicken merkwürdige Menschen in grauslichen Masken zu einem europaweit mit Spannung verfolgten Songwettbewerb, die meistern erst lockerweg das Semifinale zur Endausscheidung, in der sie dann lockerweg fast 40 Mitbewerber abhängen und sogar zum Zweitplatzierten eine Distanz von rund 40 Punkten schaffen.

Lordi heißen die Maskenträger, und sie sind nicht erst seit vorgestern im Musikgeschäft, sie sind weder Boygroup noch eine eigens für den Eurovision Song Contest zusammengewürfelte Mixtur. (Der Untergang letzter Spezies direkt nach dem Wettbewerbsabend muss übrigens keineswegs besiegelt sein, sondern sowas kann auch längerfristig erfolgreich sein, siehe Dschingis Khan von 1979 bis 1982). Und bei näherem Hinsehen ist ihr souveräner Sieg auch gar nicht so überraschend.

Denn: Lordi machen astreinen Mainstream-Rock. Das Album beginnt mit einer kleinen Ansprache. Aber die Band hat sich nicht vom dänischen Nachbarn bzw. durch die traditionellen Neujahrsansprachen der Königin Margrete II. insprieren lassen. Sondern: Diesem Opener hört man die Verschmitztheit sofort an – das hier wird vergnüglich. Hard Rock Hallelujah geht gleich ins Ohr und bleibt dort. Good To Be Bad hat erstens Melodie und ist auch keine bierernste Angelegenheit.

Mag ja sein, dass eingefleischte AC/DC-Fans für Lordi allenfalls ein mildes Lächeln oder entrüstetes Haareraufen übrig haben. Aber das ist den Maskenträgern von KISS auch schon passiert, und trotzdem ist ihr I Was Made For Loving You bis heute ein Knaller geblieben. Wenn man also das Dutzend Ohrwürmer der Arockalypse als augenzwinkernde Verneigung vor den siebziger Jahren begreift, dann entwickelt die CD einen originellen und etwas verspielten Charme.

In Deutschland jedenfalls haben Lordi nicht schlecht eingeschlagen und setzen gerade zum Sturm an die Chartspitzen an. Da stehen immer noch Texas Lightning – die übrigens auf ihr Album eine sehr originelle Country-Version von Highway to Hell gepackt haben.

Ein Blick in die Contest-Historie zeigt, dass Hard Rock Hallelujah durchaus Eurovisionsgeschichte geschrieben haben kann: Als Abba 1974 in geschenkpapierähnlichen Outfits mit Plateausohlen die Bühne betraten, war das der definitive Abschied von der jährlichen Erfahrung, dass nur brav-melodiös vorgetragenes Liedgut Gnade vor allen Jurys findet. 1979 wetterte die damalige bundesdeutsche Familienministerin gegen die Teilnahme von Dschinghis Khan, die mit ihrer (vorsichtig ausgedrückt) undezenten Show dann einen weltweiten Treffer landeten. 2003 machte Sertab Erener den Ethnopop siegestauglich. Genau das ist Lordi nun mit dem eingängigen, nach einfachen und bewährten Rezepten zubereiteten Mainstream-Rock gelungen. Und die Masken … ach Mensch, die Finnen wollen doch nur spielen!(Und können das gut).

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