Wenn junge Menschen aus dem riesigen tropischen Subkontinent Indien bislang als Sportler Schlagzeilen machten, dann taten sie das meist in erster Linie als Hockey- oder als Kricket-Spieler. Zugegeben, da sind sie zwar ziemlich erfolgreich, aber vor allem der Umgang mit dem verflixten kleinen Ball, der durch dieses komische kleine Tor durch muss, der erinnert unsereins heutzutage doch bestenfalls an sportliche Zeitvernichtung zur Zeit der englischen Kolonialherren.
Jetzt aber, jetzt gibt es einen, den sie zwischen Delhi und Kalkutta den schnellsten Inder der Welt nennen und der – man möge mir verzeihen – ist beileibe kein Elefantenjockey. Nein, Narain Karthikeyan, 28 Jahre alt, bronzefarbene Haut, pechschwarzes Haar, stets ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, misst sich seit Anfang März mit den Herren Schumacher, Räikkönen, Alonso und wie sei alle heißen mögen. Und er beherrscht weit mehr als nur ein ES (Elefantenstärke) sondern ist in seinem Jordan Herr über einige Hundert Pferdestärken. Narain Karthikeyan ist der erste Inder in der Formel 1.
Was sicherlich in seiner Heimat, auch wenn er diese schon lange verlassen hat und seit acht Jahren in Europa lebt, weit mehr registriert und honoriert wird als bei uns Niki-Lauda-RTL- und Premiere-Konsumenten. Denn Karthikeyan hat zwischen Tadj Mahal und Ganges etliche Geldgeber gefunden, die stolz darauf sind, einen der Ihren im Zirkus Ecclestone präsentieren zu dürfen. Indiens größter Software-Konzern, die Tata-Group zählt ebenso zu seinen Sponsoren wie das staatliche Mineralöl-Unternehmen Bharat Petroleum. Das sind alles Leute, die die Rupie zwar nicht gerade zweimal umdrehen bevor sie sie ausgeben, aber ihren einigen Lebenszweck auch nicht im Ausüben täglicher Barmherzigkeit sehen. Deshalb muss es auch einen Grund geben, dass sie das tun. Und den weiß der Mann im Ex-Team von Hobbydrummer Eddie Jordan offensichtlich selbst am besten. Ich bin ein schneller Fahrer, ich habe sechs Rennen in der britischen Formel 3 gewonnen. In der Formel 3 war ich so schnell wie Jenson Button, manchmal sogar schneller. Na also, endlich mal was Präzises über diesen verwunschenen Motorprinzen aus Radjastan.
Der junge Asiate kam beileibe nicht aus dem sprichwörtlichen Nichts in die glitzernde Welt von schnell und schön. Bei Jaguar, Jordan und Minardi durfte er in den vergangenen Jahren schon mal testen. Für ein Cockpit hat es nie gereicht. Bis jetzt bei Eddie Jordan. Der hat immer unter akutem Geldmangel gelitten und so müsste man eigentlich annehmen, Karthikeyan käme mit einem wohlgefüllten Säckel daher. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der russisch-kanadische Unternehmer Alex Shnaider, dem der Sinn danach stand, einmal Besitzer eines Formel-1-Teams sein zu wollen, als er gerade nichts anderes zu tun hatte, schlug zu, als Eddies ehemalige gelbe Hornissen feilgeboten wurden. Teamchef von Midland, so der Firmenname, ist ein gewisser Trevor Carlin, für den Karthikeyan in der Formel 3 aufs Gaspedal trat. Man kannte sich halt.
Die Szene aufgemischt hat er bisher beileibe nicht, aber das konnte auch keiner von ihm erwarten. Er selbst am allerwenigsten. Es wird sicher ziemlich wild werden, hatte er vor seinem ersten GP in Melbourne prognostiziert. Mitunter so wild, dass es richtig teuer wurde für ihn. Vor allem dann, wenn er gar nicht so wild sein sollte. Schon in seinem allerersten Rennen in Australien bekam er ein saftiges Strafmandataufgebrummt: 6.750 Dollar für zu schnelles Fahren in der Boxengasse. Karthikeyan wird's verschmerzen können. An die fünf Millionen Dollar soll er als Mitgift mitgebracht haben, wird gemunkelt. Dafür kann er sicherlich nicht nur noch ein paar Mal durch die Boxengasse brausen, sondern darf auch auf der Piste richtig schnell sein. Auch am Wochenende auf dem Nürburgring.
Text: Jürgen C. Braun