Buchtipp der Woche

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Robert Jütte: Samuel Hahnemann. Begründer der Homöopathie.
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 14 Euro

Dass 250 Jahre nach dem Tod ihres Begründers erst ein Jahr der Homöopathie ausgerufen wird, verwundert nicht wirklich. Noch vor rund 30 Jahren lehnten viele Schulmediziner die Ideen Samuel Hahnemanns als mehr oder minder gefährlichen Humbug ab. Heute allerdings ist die Homöopathie überwiegend anerkannt als einer von vielen möglichen Wegen, wieder gesund zu werden.

Indes: Samuel Hahnemann hat die Homöopathie nicht erfunden, sondern die Ähnlichkeitsregel, auf der sie basiert, bei seiner Tätigkeit als Übersetzer medizinischer Werke entdeckt. (Was seinen Lebensunterhalt besser sichern konnte als das Betreiben einer Arztpraxis). Ein Wirkstoff, der beim gesunden Menschen eine Krankheit erzeugt, soll genau diese Krankheit heilen können, vorausgesetzt, der Wirkstoff wird immer in extrem hoher Verdünnung eingenommen. Dem verdünnten Wirkstoff maß Hahnemann ebenso Bedeutung zu wie dem Vorgang des Verdünnens an sich. Bestätigt sah er die Grundidee in vielen Selbstversuchen. Bei einem davon nahm er Chinarinde hochverdünnt ein, was zu einem starken Fieberanfall führte.

Die Erkenntnismöglichkeiten waren zur Zeit Hahnemanns sehr begrenzt. Krankheiten wurden entweder auf die Lebensweise zurückgeführt, auf Umweltbedingungen oder auf übermenschliche Mächte. Zu den am weitesten verbreiteten Heilverfahren gehörte der Aderlass, ein überaus rigider Eingriff in den Körper, wie wohl die meisten Therapien in dieser Zeit.

Wer da einen ganz anderen Weg einschlug und auf die Anregung der Selbstheilung setzte, war nicht nur von der Idee her ein Außenseiter, sondern brachte den eigenen Stand gegen sich auf. Hahnemann allerdings war Überzeugungstäter, der sich den Weg zum Medizinstudium hart erkämpfen musste und schon früh lernte, mit Widerständen umzugehen. Aber wer Erfolg hat, findet neben Widersachern Anhänger und Nachahmer. Letzerere erregten mitunter seinen Zorn, den er dann auch öffentlich äußerte – wenn er fand, dass die Homöopathie unsachgemäß praktiziert wurde.

Vieles von Robert Jüttes Porträt weist verblüffend direkt in die heutige Zeit: Medizin als Erfahrungswissenschaft, die sich des Labors und des Computertomogramms eher zur Absicherung bedient, der intensive Dialog mit dem Patienten, vor dem massiven Eingriff erst einmal der Versuch, die Selbstheilung zu aktivieren. Das alles sind hochmoderne Forderungen. Hahnemann selbst war womöglich die beste Werbung für die Homöopathie. Er starb 1843 mit 88 Jahren – zu seiner Zeit wurden Männer, wenn mit guter Konstitution ausgestattet, nicht älter als 55. Ein Asket übrigens war Hahnemann, anders als manche seiner Nachfahren, keineswegs: Die Tabakspfeife war sein ständiger Begleiter, und mit 80 Jahren heiratete der Witwer, gegen teils erbitterten Widerstand seiner Kinder, in zweiter Ehe eine um 35 Jahre jüngere Frau. Die Ehe war glücklich.

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