Gericht: Kurzer Seitenblick ist keine grobe Fahrlässigkeit

Ein kurzer Blick zur Landkarte auf dem Beifahrersitz ist noch keine grobe Fahrlässigkeit. Deshalb verliert ein Autofahrer auch nicht seinen Kasko-Versicherungsschutz, wenn er durch die Unaufmerksamkeit einen Unfall verursacht. So entschied das Landgericht Aschaffenburg in einem Fall, den die Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein (DAV) veröffentlicht haben.

Die Richter argumentierten, der Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht wiege nicht so schwer, dass es gerechtfertigt wäre, von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen. Bei nahezu jeder Autofahrt sei der Fahrer kurzfristig unaufmerksam – beispielsweise beim Blick auf den Beifahrer, in den Außenspiegel oder auf das Display des Autoradios.

Würde man in allen Fällen kurzer Unaufmerksamkeit grobe Fahrlässigkeit annehmen, hätte konsequenterweise der Vollkasko-Versicherungsschutz für den Versicherten Sinn und Zweck verloren, hieß es in dem Urteil weiter. Ein Haftungsausschluss dürfe deshalb nur im Fall eines besonders schweren, unentschuldbaren Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht eintreten.

Als Beispiel hierfür nannte das Gericht das Aufheben eines heruntergefallenen Gegenstands während der Fahrt. Hier bestehe nicht nur das Risiko, dass der Fahrer während des Bückens nicht auf die Fahrbahn blicken könne, sondern auch die Gefahr, dass er während dessen das Lenkrad verreißt. Auch wer sich während des Fahrens umdrehe, um einen Gegenstand auf den Rücksitz zu legen, handle wegen der erhöhten Risiken grob fahrlässig.

Landgericht Aschaffenburg
Urteil vom 1. Dezember 2004
Aktenzeichen: 3 O 266/04

© Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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