Schwarze Katze auf schwarzem Kontinent

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Am Wochenende feierte er seinen ersten Etappensieg bei der härtesten Materialschlacht für Mensch und Maschine im Motorsport, der Rallye Dakar. Doch der Franzose Luc Alphand (Markenzeichen immer schlecht rasiert) ist weit mehr als nur ein verrückter Motorsportler. Einst der weltbeste Skifahrer, betreibt er nebenbei in den französischen Hochalpen noch ein Hotel, in dem sich Jahr für Jahr die Größen des Radsports treffen. Und wenn es darum geht, am abendlichen Kaminfeuer in einem interessanten Gespräch einen Schluck Vin Rouge zu sich zu nehmen, dann offenbart sich der Mann, der als Die schwarze Katze in die Geschichte des Skisports einging, auch als ein profunder Kenner eines guten Bordeaux oder Beaujolais.

Im Hôtel de la Balme, das Aimé und Josiane, Lucs Eltern, in Serre-Chevalier (Hautes-Alpes), betreiben, trifft sich alle Jahre wieder ein Teil der großen Karawane der Tour de France, wenn es darum geht, die Alpenriesen der Großen Schleife zu bezwingen. Und viele kommen nicht nur wegen der herrlichen Aussicht auf das Panorama der Haute Savoie, nicht nur wegen der vorzüglichen Erzeugnisse von Küche und Keller, sondern auch um die Trophäen zu bewundern, die dort ausgestellt sind, und – wenn sie Glück haben – auch bei einem Glas Roten mit dem berühmten Sohn des Gastwirten-Ehepaares, der auch Mitbetreiber des Hotels ist, zu sprechen. Denn Luc Alphand ist ein redseliger Mensch, einer der in vielen Metiers zu Hause ist und das mit Erfolg.

Am 16. März 1997, einem Sonntag, machte Luc Alphand in Vail (Colorado) seinen bis dato größten sportlichen Triumph perfekt: Neunundzwanzig Jahre nach Ski-Legende Jean-Claude Killy wurde er als erster Franzose Weltcupsieger in der Gesamtwertung aller Disziplinen des Alpinen Skilaufs vor dem Norweger Aamodt. Damit krönt er seine lange und aufsehenerregende Karriere mit dem schönsten aller Erfolge. In der kleinen Welt des Skizirkus nannte man ihn den wild dog, den verrückten Hund. Aber in der französischen Mannschaft – zu der er schon mit sechzehn Jahren gestoßen war – hatte man ihm den Spitznamen schwarze Katze verpasst: Denn wenn Luc Alphand sich nicht selbst verletzte, dann landete sein Zimmergefährte im Spital. Luc, so schien es, brachte Unglück.

Als unruhiges Kind, das einmal sich im Spiel mit seinem kleinen Bruder Lionel selbst in der Waschmaschine eingesperrt hatte, konnte aus Luc nichts anderes werden als ein Draufgänger, sobald er einmal die Skier und später die Offroad-Fahrzeuge der Rallyeszene für sich entdeckt hatte. Luc war das, was man einen harten Hund nannte und das kommt ihm jetzt bei seinem mittlerweile siebten Dakar-Einstz zugute. 1987 setzten ihn ein Bruch des Handgelenks und ein Sehnenriss im Daumen für den Rest der Saison außer Gefecht. Im Jahr darauf folgte ein offener Schenkelbruch, dann 1989 ein Bänderriss am rechten Knie und 1990 ein gebrochener Wirbel. Aber erst sein spektakulärer Unfall 1993 in Whistler Mountain (USA), bei dem er einen Riss der Bauchdecke und einen Bänderriss am Knie davontrug, brachte ihn beinahe dazu aufzugeben. Aber eben nur beinahe.

Heute ist der Mann, der für das Geco-Raid-Team einen BMW X5 mit Erfolg durch die Wüste steuerte und nun hinter Vorjahressieger Stephane Peterhansel auf Rang zwei der diesjährigen Dakar liegt, ein Mann, der nicht nur im Skisport zum Sieger gereift ist. Alphand, das durften wir sowohl im heimatlichen Hotel vor vielen Jahren wie auch schon auf manchen Wüstenetappen erleben, ist sich stets selbst treu geblieben. Ein natürlicher Mann aus den Bergen, der sich in seiner Haut wohlfühlt. Journalistenfragen beantwortet er mit der selben Leichtigkeit in Französisch, Englisch, Schwedisch, Italienisch oder Deutsch: Ein idealer Botschafter seines Landes und seines neuen Teams Mitsubishi, dem Seriensieger bei der Dakar, im Pajero Evolution.

Text: Jürgen C. Braun

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