Klaus Kordon: Julians Bruder. Beltz & Gelberg; 18,90 Euro
Mit dem Krokodil im Nacken machte er zuletzt Furore, und auch in seinem neuen Buch tut Klaus Kordon, was er wie kaum ein anderer Autor beherrscht: Bestimmte Kapitel aus der deutschen Geschichte herausgreifen und sie anhand von persönlichen Schicksalen eindringlich, anrührend – und erschreckend deutlich darstellen. Dies alles packt er überdies in eine Handlung, die spannend ist von der ersten bis zur letzten Zeile.
Julian und sein Bruder sind erfundene Figuren. Nicht erfunden sind die Stadt und die Zeit, in der sie leben – Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg. Schon vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wird die bisher unbeschwerte Jugend der beiden getrübt, denn Julian ist Jude. Nachdem seine Eltern deportiert wurden, taucht er unter, und nun hat das Erwachsensein für Julian endgültig begonnen, auf überaus schmerzhafte Weise. Die Wege der beiden trennen sich dennoch nicht, und als beide die inzwischen gestürzte Nazi-Diktatur überlebt haben, könnte für beide ein neues Leben beginnen. Könnte, denn mit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft lässt Kordon sein Buch nicht enden. Julian und sein Bruder geraten in ein sowjetisches Internierungslager, in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald.
Damit leuchtet Klaus Kordon ein bisher sehr wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte aus; seine Geschichte ist spannend, packend und unendlich traurig. Freilich: Wer Geschichte wirklich vermitteln will, der muss es tun, indem er Geschichten erzählt. Genau das ist die Stärke des 1943 geborenen Autors, der das Buch um ein informatives Nachwort und ein Glossar verschiedener im Roman auftauchender Begriffe erweitert hat. So mischt er Fakten und Fiktion, wenn es darum geht, Leserinnen und Leser wirklich zu erreichen – und trennt sie, wenn es wichtig ist, für ein Verständnis der Geschichte nichts unerklärt zu lassen.