In der Oberklasse gehören Navigationssysteme inzwischen zur Standardausrüstung. In der Mittelklasse setzen sich die elektronischen Wegweiser immer mehr durch und selbst in der Golf-Klasse ist ein Navigationssystem im Auto für Vielreisende nicht mehr ungewöhnlich. Wer häufig in fremden Städten unterwegs ist, mag den satellitengestützten Lotsen an Bord nicht mehr missen.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 560.000 Navigationssysteme verkauft. In diesem Jahr dürften es nach Schätzungen von Systemlieferant Blaupunkt rund 680.000 sein. Im kommenden Jahr fällt dann die 800.000 Einheiten-Grenze. Zwei Drittel dieser Geräte gehen in die Erstausrüstung, ein Drittel in den Nachrüstmarkt. Mit den Stückzahlen fallen die Preise und es verbessert sich das Angebot. Hochpreisige Nachrüstgeräte mit Sprachsteuerung liegen heute um 1.500 Euro, die günstigsten sind unter 800 Euro zu bekommen. Man kann davon ausgehen, dass ein Navigationsgerät in Zukunft für den Wiederverkauf von Geschäftswagen ähnlich wichtig sein wird wie heute eine Klimaanlage. Dass Navigationssysteme schon rein stückzahlmäßig eine große Zukunft haben, darin sind sich die großen Hersteller Blaupunkt, Siemens/VDO und Becker einig. Wohin der Trend bei der technischen Entwicklung geht, scheint weniger klar. Bei Blaupunkt sieht man die größten Marktchancen bei den günstigen Nachrüstgeräten und bei entsprechend preiswerten Systemen für die Erstausrüstung. Becker setzt hingegen auf mehr Komfort, Sprachsteuerung und immer mehr zusätzliche Funktionen. Dazu gehört beispielsweise die Onlineanbindung eines elektronischen Fahrtenbuches mit finanzamtfähiger Druckausgabe. Das Modell Traffic Pro von Becker beispielsweise bietet zudem Ressourcen für die Online-Fuhrparkverwaltung. Softwarenbieter wie Webfleet verwalten mit Hilfe solcher Geräte die Logistik von Speditionen. Einige Elemente der dort verwendeten Steuerungen sind auch für den Pkw-Fuhrpark nützlich, anderes, wie die Fahrtzeiterfassung als Arbeitszeitüberwachung erinnern mehr an den großen Bruder Orwellscher Prägung als an modernes Fuhrparkmanagement. Zu wissen, wo gerade genau alle Autos der Flotte sind, bringt die meisten Lease-Unternehmen nicht weiter. Solche Informationen sind fast nur für Servicefahrzeuge und Handelsvertreter sinnvoll, die unterwegs neue Aufträge zugespielt bekommen. Kilometerleistung und Verschleiß wiederum lassen sich über die Onlineanbindung nicht abrufen. Auch das elektronische Fahrtenbuch scheint in der Praxis nicht auf viel Gegenliebe der Nutzer zu stoßen. Die Audi AG, die als erste ein solches System mit Speicherkarte im Auto für die Geschäftswagen einbaute, hat dieses Angebot zwischenzeitlich gestrichen. Zu wenig Nachfrage lautet die lapidare Begründung.
Audi verwendet in der aktuellen Version der Navigationssysteme-Geräte des japanischen Herstellers Aisin, die sich gegenüber den deutschen Wettbewerbern durch bessere Grafiken und eine schnellere Taktung unterscheiden. Dafür lassen sich die übrigen Kommunikationssysteme wie Telefon oder Email-Dienst schwieriger integrieren und auch die hierzulande übliche Steuerung der Unterhaltungsmedien gestaltet sich komplizierter für die Techniker.
Der eigentliche Sinn von Navigationssystemen, die Routenführung, ist derzeit kaum zu verbessern und auch zukünftig hält sich der Fortschritt auf diesem Gebiet in Grenzen. Die Satellitenortung bleibt bis zur Arbeitsaufnahme des europäischen Galileo-Projekts auf etwa 10 bis 15 Meter Genauigkeit begrenzt. Das genügt völlig, um überall in Deutschland und in den meisten Ländern Westeuropas den Weg zu finden. Die Satelliten sind nur ein kleiner Teil des Systems. Ihre Positionsbestimmung ist nötig, wenn das Auto abseits digitalisierter Straßen unterwegs war oder beispielsweise eine Strecke per Fähre zurückgelegt hat. Dann nämlich nutzen die Radwegesensoren am Auto nichts und das System muss sich erst wieder per GPS-Signal zu Recht finden. Bleibt man hingegen auf der Strasse, orientiert sich heute und auch in Zukunft jedes Navigationssystem entlang der digitalisierten Karten. Da genau liegen auch die Schwachpunkte heutiger Systeme. Alle Systemhersteller beziehen ihr Kartenmaterial von zwei Firmen: Navtech und Teleatlas. Diese bieten digitalisierte Karten von allen Ländern Europas an und kümmern sich um die Aktualisierung. So ist Deutschland zu 99,5 Prozent digital erfasst. Das flächenmäßig viel größere Frankreich hingegen nicht. Auch in Deutschland kann die Digitalisierung nie vollständig sein, weil sich bislang Straßenmeistereien und Behörden nicht verpflichtet sehen, neue Straßenführungen, Kreisverkehre und ähnliche Umbauten von sich aus zu melden. Jede neue Strasse muss deshalb von Teleatlas oder Navtech nachgefahren und vor allem erst gefunden werden. Das dauert und bedingt natürlich Verzögerungen in der Umsetzung. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Verarbeitung aktueller Verkehrsmeldungen um das Auto nicht in den Stau, sondern um ihn herum zu führen. Die meisten neuen Navigationsgeräte verarbeiten die Signale von TMC, dem Traffic Message Channel der Verkehrsfunksender. Einer aktuellen Untersuchung des ADAC zu Folge funktioniert das aber nur dann zufrieden stellend, wenn die Geräte das neuste Software-Update TMC Update 3.0 installiert haben. Leider verfügt kaum ein aktuelles Navisystem schon über diese Software. Das kann laut ADAC in Einzelfällen dazu führen, dass unvollständige Staumeldungen, verfrühte Ableitungen von der Autobahn oder falsche Ortsangaben den Autofahrer in die Irre oder in den Stau leiten. Die Aufrüstung des Kartenmaterials mit der neuen Software auf CD-ROM oder DVD umfasst mehr als 500 Änderungen und ist derzeit noch nicht für alle Gerätetypen verfügbar. Aber auch nicht alle Geräte, die noch in den Regalen der Händler auf Kunden warten oder in Neufahrzeugen ausgeliefert werden, verfügen schon über die neueste TMC-Softwareversion. Eine Nachrüstung ist teuer – 150 bis 400 Euro kann es kosten, die Stauumfahrungsfunktion wieder zu 100 Prozent einsatzfähig zu machen, meldet der ADAC. Auch wenn diese Funktion einwandfrei arbeitet, bleibt als Fehlerquelle die Verkehrsmeldung selbst, die zu wenig aktuell, zu ungenau oder gar falsch ist. Ernsthafte Verbesserungen auf diesem Sektor sind derzeit nicht in Sicht. Einen kleinen Fortschritt verspricht allerdings TETA (The European Traffic Alliance). TETA bündelt Verkehrsinformationen europaweit und stellt sie via Radio oder GSM zur Navigation zur Verfügung. So können im grenzüberschreitenden Verkehr die aktuellen Staumeldungen beispielsweise aus Frankreich in die Routenführung entlang der Rheinautobahnen einbezogen werden. Vom europäischen Satellitensystem Galileo versprechen sich die Entwickler eine genauere Ortung im Zentimeter-Bereich. Das könnte dann zur Vernetzung von Navigation und aktiven Sicherheitssystemen führen. Merkt das Auto, dass der Fahrer aus Unachtsamkeit die Strasse zu verlassen droht, verweigern sich einfach Gas und Lenkung ihm Folge zu leisten und halten das Auto auf der Strasse. Ob sich diese Zukunftsvision verwirklichen lässt, darf angesichts der bislang schon erlebten Schwierigkeiten bei der Integration von elektronischen Komponenten im Auto und ihrer allfälligen Sprachverwirrung untereinander stark bezweifelt werden.
Bleibt schließlich der Trend zur Online-Navigation, der die Geräte einfacher und billiger machen wird. Statt immer alles digitale Material im Auto zu haben, wird nur das heruntergeladen, was für die Navigation der gewünschten Strecke tatsächlich nötig ist. Das geht sogar mit den Datenraten, die heute per Handy übertragbar sind und wird mit UMTS-Handys ungleich schneller möglich sein. Dann kann nicht nur der Logistik-Flottenchef per Mail seine Autos umdirigieren und gleich die neue Route mitliefern.
(Text: Günter Weigel)