Als Vorausfahrzeug mit einem Erdgas-Scirocco und prominenter Besatzung mit „Dakar“-Sieger Carlos Sainz am Volant war Volkswagen am Wochenende bei der Deutschland-Rallye in Trier, dem neunten von 13 Läufen zur Rallye-Weltmeisterschaft schon vertreten. Einiges spricht jedoch dafür, dass die Wolfsburger in nicht allzu ferner Zukunft ihren Platz nicht nur bei den Offroad-Rallies sehen.
Kris Nissen war mächtig stolz am Freitagabend an antiker Stätte in Deutschlands ältester Stadt Trier. „Großes Kino“ hatte Volkswagen Motorsport in dem altehrwürdigen Amphitheater der „Augusta Treverorum“ inszeniert. Dort, wo vor gut 2000 Jahren der ursprüngliche „Circus Maximus“ stattfand, präsentierte Nissen, der Motorsportdirektor des Hauses VW, mit viel Enthusiasmus und Verve die dritte Auflage des „Race Touareg“, mit dem Europas größter Autobauer zur Jahreswende 2010 / 2011 das „Triple“ bei der berühmten Rallye Dakar einfahren will.
Doch die Erfolge abseits der Piste haben offensichtlich Heißhunger geweckt auf weite marken-affine Ergebnisse zwischen Citroën C4, Mitsubishi Lancer, Suzuki Swift oder Ford Focus. Mit dem neuen Scirocco hat Wolfsburg ein Fahrzeug auf dem Markt, das mit entsprechender Vorlaufzeit prädestiniert wäre für den Einsatz im knallharten Rallye-Geschäft.
„Als Alternative oder Ersatz für die Rallye Dakar ist die Rallye-WM nach meiner Meinung das Beste für VW“, sagte der Däne, der viel Potenzial in der Serie sieht, in der sich momentan nur Ford und Citroën werksseitig engagieren. Zunächst gilt es, die technische Dominanz und Kompetenz der TDI-Technologie des Hauses mit dem dritten „Dakar“-Sieg in Folge eines Dieselfahrzeugs zu untermauern. Danach aber will man sich offenbar neuen Geschäftsfeldern im Motorsport zuwenden. „Wir bringen in jedem Jahr rund 100 Händler zum 24-Stunden-Rennen an den Nürburgring. Die würden sich garantiert auch bei der WM-Rallye wohl fühlen.“
Machbare Aufgaben, so der ehemalige erfolgreiche Motorsportler, sehe er bei der Vermarktung der Rallye-WM, die noch nicht zufrieden stellend gelöst sei. „Das war bei der „Dakar“ aber ähnlich und da haben wir das mit Konkurrenten vorangetrieben.“ So etwas Ähnliches müsse man auch in der Rallye-WM inszenieren: „Auf den Wertungsprüfungen bei identischen Vorgaben gegeneinander antreten und „back stage“ gemeinsam die Voraussetzung für eine bessere und größere Medienkompetenz schaffen.“
Eine Entscheidung für den Spitzensport und dessen strategische Ausrichtung im Jahr 2012 gibt es im Hause Winterkorn bisher noch nicht. Zunächst einmal gelten alle Anstrengungen dem nächsten Gesamtsieg bei der „Mutter aller Wüstenrallies“. Der Aufbau eines World Rallye Cars und der logistische Umbau des bisherigen „Dakar“-Teams für die Rallye-WM dauerten „mindestens 18 Monate“, wird gemutmaßt.
Die Gedankenspielerei bei Volkswagen und der bereits als perfekt geltende Wiedereinstieg von Mini im kommenden Jahr machen jedoch Hoffnung auf mehr. Hoffnung darauf, dass sich in Zukunft nicht nur zwei Hersteller engagieren. Sondern, dass auch deutsche Autobauer erkannt haben, dass ihre Kunden – am Wochenende kumuliert 220.000 – eher in Gummistiefeln und mit einer Flasche Bier in der Hand an der WP stehen, als im feinen Zwirn bei Lachs-Gratin in der Viplounge Platz nehmen.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Oliver Kleinz