Ach ja, was sagt man uns nicht alles voraus, mit welch wundersamen Vehikeln und mitunter noch viel wundersamerer Antriebstechnik wir uns dereinst von Punkt A nach Punkt B bewegen (müssen). Batterie-betriebene Elektro-Autos, Wasserstoff-Mobile, Brennstoffzellen-Großraumvans. Heute zeigen wir, dass es auch anders geht.
Schon Karl Valentin hatte irgendwann heraus gefunden, dass die Zukunft auch nicht mehr das ist, was sie früher mal war und deswegen wollen wir uns noch mit einem Stück Gegenwart (Verbrennungsmotor) beschäftigen, in dem schon ein Stück Zukunft steckt. Und deshalb fuhren wir den neuen Volvo S80 mit kombiniertem Superbenzin/Bioethanol-Antrieb.
In Schweden sind Fahrzeuge mit Bioethanol-Motoren (im Fachjargon E 85) genannt) längst gang und gäbe. Ford, Volvo und Saab setzen dort auf eine ausgereifte Technik und ein funktionierendes, tragfähiges Tankstellennetz. Hierzulande ist das (leider) anders. Es fehlt nicht nur am (Selbst)verständnis für derlei Fahrzeuge, sondern auch der pragmatischen Voraussetzung, um auf den sprichwörtlichen Grünen Zweig zu kommen. Die nächste Bio-Ethanol-Tankstelle außerhalb der Region ist in Homburg/Saar. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 160 Tankstellen mit einer E85-Zapfsäule. Weshalb man dem 200 PS starken 2,5-Liter-Turbomotor mangels Alternative gutes Superbenzin statt E 85 aus brasilianischem Zuckerrohr zur Konsumation verabreicht.
Was momentan gar nicht einmal als verwerflich erscheinen mag. Denn in Zeiten knapper Nahrungsmittel, so rügen die Bio-Weisen, sei es auch unverantwortlich, etwa Weizen zu Sprit zu verarbeiten. Und in Südamerika sowie Asien würden Regenwälder abgeholzt, um Platz zum Anbau von Pflanzen für die Kraftstoffproduktion zu schaffen. Der 2,5-Liter-Benziner mit Turbo verrichtet seine Arbeit in zahlreichen anderen Modellen des Ford-Konzerns. Beim Fahren mit der Bioethanol-Ausführung merkt man keinen Unterschied zur normalen Version. Das Aggregat hängt gut am Gas, der Abgaslader sorgt für 300 Newtonmeter Drehmoment bei 1500 bis 4500 Touren der 1,6 Tonnen schwere oberen Mittelklasse-Limousine. Zum dezenten und keineswegs aggressiven Auftritt des Fahrzeugs passt auch die sanft, aber korrekt arbeitende Automatik, die sich wahlweise auch manuell schalten lässt.
Die Bioethanol-Version, die Volvo FlexiFuel nennt, ist genau so stark wie die Normalversion: 200 PS. Weil Ethanol aggressiver als Benzin wirkt, wurden Kraftstoffleitungen aus Stahl, vergrößerte Einspritzventile und speziell beschichtete Zylinderköpfe gewählt. Eigentlich müsste ein Ethanol-Motor bei erhöhtem Ladedruck mehr PS haben, weil der Alternativkraftstoff klopffester als Super ist. Doch Volvo riegelt die Mehrleistung elektronisch ab. Aus Verbrauchsgründen. Wir ermittelten im Berichtszeitraum mit der Sechsgang-Automatik 9,8 Liter Super Kraftstoff auf 100 Kilometer. Im Betrieb mit E85, so der Hersteller, benötige man aufgrund der niedrigeren Energiedichte etwa 35 Prozent mehr Kraftstoff.
Bioethanol kostet hierzuland zwischen 82 und 90 Cent pro Liter. Der Sparfaktor orientiert sich also am Benzinpreis. Zusätzlicher finanzieller Anreiz ist jedoch die Tatsache, dass E85 bis 2015 n0ch steuerlich begünstigt ist. Doch es geht ja auch um das Grüne Gewissen. Im Fahrbetrieb mit E85, so Volvo, lägen die CO2-Emmissionen im Vergleich zum Ottomotor um bis zu 80 Prozent niedriger.Wir fuhren den S80 2.5FT (das dezente F am Heck steht für FlexiFuel) in der höchsten Ausstattungsversion Summum. Die Einstiegsversion Kinetic gibt es als FlexiFuel bereits ab 38020 Euro, nach oben lässt sich auch der Grüne Volvo mit vielen Extras individuell beliebig erweitern. Die FlexiFuel-Variante eines Volvo kostet in etwa 400 Euro mehr als die Normalversion. In Deutschland spielt FlexiFuel bisher kaum eine Rolle. Nur zwei Prozent der bei uns verkauften schwedischen Benzin-Karossen seien Bioethanol-fähig. Die Vorurteile gegen den vermeintlich ökologischen Antrieb werden wohl auch erst dann zurückgehen, wenn die Produktion nicht mehr in unmittelbarer Konkurrenz zur Nahrungskette steht. Bei genügend Bioethanol der zweiten Generation, gewonnen etwa aus Abfällen der Forstwirtschaft, dürfte zumindest mit einem kleinen Verkaufsschub gerechnet werden.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun