Manchmal ist ein Spiel nur ein Spiel: Nach 60 Minuten auf dem Feld abgehakt und schnell vergessen. Und dann gibt es die Partien, die einen Wendepunkt für die Karriere darstellen – im positiven oder negativen Sinne. Das Finale der männlichen A-Jugend beim Internationalen Biberacher Osterturnier (IBOT) im Jahr 2016 zwischen dem SC Magdeburg und dem 1. VfL Potsdam fällt für André Kolb und seinen Schiedsrichterpartner Markus Kauth eindeutig in die erste Kategorie. „Wir wären heute nicht da, wo wir sind, wenn wir dieses Spiel nicht so gepfiffen hätten“, ist Kolb überzeugt. „Das Spiel war der Startschuss.“
Das IBOT hat für junge Schiedsrichter einen ganz besonderen Klang: Das viertägige Turnier ist eines der Sichtungsturniere des Deutschen Handballbund in Sachen Schiedsrichter-Nachwuchs. Es ist eine Plattform, bei dem sich talentierte Referees vor den Augen der Sichter des Deutschen Handballbundes präsentieren können.
Die Ausgangslage des bayrischen Gespanns war eigentlich nicht optimal: Kolb pfiff damals gerade einmal ein halbes Jahr im Landesverband zusammen mit Kauth, beide waren 21 Jahre jung. „Wir hatten davor beide andere Partner, aber wir waren in unserer Region die beiden, die bereit waren, den vollen Fokus auf die Schiedsrichterei zu legen“, erinnert sich Kolb. „Und Andreas Warter, der Schiedsrichterwart im Landesverband, hat etwas in uns gesehen.“
Andreas Warter und Harald Schweizer arbeiteten daher ein halbes Jahr intensiv mit ihren beiden Schützlingen, bevor sie mit Herzklopfen nach Biberach fuhren. „Die Maßnahme ist sehr professionell aufgezogen, es gab ein Briefing für die Schiedsrichter, wir mussten einen Regeltest ablegen und einen Shuttle Run absolvieren“, schildert Kolb. „Es war für uns der erste Kontakt mit großen Namen wie Jürgen Rieber, Bernd Ullrich und Thorsten Zacharias. Wir standen als junge Buben aufgeregt vor diesen Vorbildern.“
Mit ihrer Leistung überzeugten Kolb und Kauth jedoch – und erhielten am Finaltag das begehrte Finale der männlichen A-Jugend. „Dieses Spiel zu bekommen, war bei dem Turnier die größte Auszeichnung“, erinnert sich Kolb mit einem Grinsen. „Wir haben uns gefreut wie Schnitzel, als wir die Ansetzung erfahren haben.“
Von dem Spiel selbst ist den beiden Freunden nicht mehr viel in Erinnerung. Der SC Magdeburg gewann, das weiß Kolb noch, mit 17:13 gegen Potsdam. Was sich von diesem Finaltag jedoch eingebrannt hat: Vor dem Spiel kam Zacharias, der heutige Coaching-Chef im Deutschen Handballbund, zu ihnen in die Kabine „und hat uns auf das Spiel eingeschworen“, sagt Kolb. „Seine Worte haben wir bis heute nicht vergessen.“
Sechs Wochen nach dem Turnier erhielten Kolb und Kauth die Nominierung für den Perspektivkader des Deutschen Handballbundes. „Als Schiedsrichter steht man selten im direkten Wettbewerb mit den anderen Gespannen, aber wenn du zu dieser Sichtung fährst, weißt du: Von den zwölf bis fünfzehn Teams, die dort sind, wird am Ende eins, mit Glück zwei genommen“, beschreibt Kolb. „Dass wir das damals geschafft haben, hat eine immense Bedeutung für uns. Mit diesem Turnier, mit diesem Finale ging für uns unser Märchen los.“
Daher wählte Kolb trotz ihrem Debüt in der LIQUI MOLY HBL vor zweieinhalb Jahren das vom sportlichen Wert vergleichsweise Finale beim IBOT als sein besonderes Spiel. „Wir stehen mit unserem Werdegang für die Nachwuchsförderung des Deutschen Handballbundes, die wirklich sehr gut ist“, lobt Kolb.
Bei der Premiere in deutschen Beletage trafen sie auf einen alten Bekannten: Als Delegierter am Tisch saß Thorsten Zacharias – und wie in Biberach hatte er noch einige motivierende Worte parat. „Die Coaches geben uns nicht nur Schiedsrichtertipps mit, sondern es ist auch Lebenserfahrung, die wir von ihnen bekommen“, sagt Kolb. „Umso schöner war es für uns alle, dass sich der Kreis auf diese Weise geschlossen hat.“
Fotos: Marco Wolf / Andre Kolb (privat)