Der „Grüne Reifen“: Mehr als ein ökologischer Ablasshandel?

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Nicht erst seit der Grünen Auto-Woche, wie die internationale Automobilausstellung IAA des vergangenen Jahres in Frankfurt/Main leicht sarkastisch nach Schließung der Ausstellungstore genannt wurde, sind die drastisch verschärften Klimaschutzvorschriften rund um das Automobil auch ein Thema in der Reifenindustrie. Der Grüne Reifen ist längst zum gängigen Schlagwort geworden. Auf der Agenda der großen Reifenhersteller stehen nicht nur Parameter wie Bremsweg, Langlebigkeit oder Nässeverhalten, sondern auch die Reduktion von Kraftstoffverbrauch auch des Ausstoßes des gefährlichen Treibhausgases CO2.

Vor allem mit neuen rollwiderstandsarmen Reifen wollen die Premium-Hersteller ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zumal das Thema auch beim Verbraucher und dessen Kaufentscheidungen immer mehr in den Focus rückt. Laut einer aktuellen Studie im Auftrag des Reifenherstellers Michelin würden 59 Prozent aller Verbraucher gerne ausschließlich Produkte kaufen, die entweder CO2-reduziert oder CO2-neutral sind.

Mit Verve arbeiten die Entwickler moderner Pneus deshalb daran, den Rollwiderstand ihrer Produkte zu minimieren. So will man dem angestrebten Ziel der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß von Autos bis zum Jahr 20012 von heute durchschnittlich über 160 g/km auf 130 g/km zu reduzieren, näher kommen. Die CO2-Minimierung alleine durch umweltfreundliche Reifen soll dabei etwa 10 g/km betragen. Trotz allen gesteigerten Umwelt-Bewusstseins der Verbraucher wissen aber auch viele Autofahrer nicht, was sie unter dem Begriff Rollwiderstand ihrer Reifen verstehen sollen. Als Rollwiderstand wird im Allgemeinen der Energieverlust des Reifens durch Reibung und Verformung beim Fahren bezeichnet. Bei Fahrten auf der Landstraße oder im Stadtverkehr ist der Rollwiderstand mit 25 bis 30 Prozent des gesamten Fahrwiderstands ein nicht unerheblicher Faktor für den gesamten Kraftstoffverbrauch.

Der französische Reifenkonzern Michelin sieht sich im Rahmen dieser Diskussion als eine Art Speerspitze der Bemühungen. Bereits im Jahr 1992 brachte Michelin erstmals den Energy Saver auf den Markt, bei dem Silica (Kieselsäure) als Teilersatz für Ruß eingesetzt wurde. Bei erhöhter Laufleistung des Pneus verringerte sich der Rollwiderstand und somit auch der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs. Den neuen Michelin Energy Saver der vierten Generation, der jetzt auf den Markt kommt, gab es bisher für 29 Reifentypen, bis Mitte 2008 sollen es 42 sein. Der Neue soll weitere vier Gramm CO2/km weniger ausstoßen als dessen Vorgänger. Das entspricht einer Minderung des Spritverbrauchs auf 100 km von etwa 0,15 Liter (Diesel-) und 0,17 Liter (Benzinmotor).

Bei allen Bemühungen um die Verringerung des Rollwiderstandes beim Reifen entsteht jedoch auch ein Zielkonflikt: Verbessert sich der Rollwiderstand, so verschlechtern sich andere Eigenschaften des Reifens, etwa dessen Nassbremsverhalten. In der Diskussion ist daher auch schon eine gleichzeitige Festschreibung von Grenzwerten für Rollwiderstand und Nassgriff. Nach deren Festlegung sieht es zurzeit allerdings nicht aus. Die europäischen Reifenhersteller arbeiten zwar an der Einführung eines Energiesparindex für Reifen, der sich ausschließlich am Rollwiderstand orientiert. Das Label, mit der Käufer den jeweiligen Rollwiderstand eines Fahrzeugs erkennen kann, soll jedoch frühestens 2011 eingeführt werden.

Trotz des insgesamt leicht rückläufigen Marktes für Sommerreifen strebt Michelin beim neuen Energy Saver hohe Absatzziele an. 100 Millionen Umweltreifen will die Bibendium-Marke in den nächsten fünf Jahren in der Erstausrüstung und im Ersatzgeschäft verkaufen. Auf der Fachmesse Tire Technology Expo 2008 wurde der neue Energy Saver bereits als beste Reifentechnologie 2008 ausgezeichnet. Der Grüne Reifen ist offensichtlich doch mehr als nur ein ökologischer Ablasshandel.

Text: Jürgen C. Braun

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