Saab: Mehr Muckis durch Gemüse

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Die närrische Saison hat gerade am 11.11. begonnen. Die Polizei wird bei Kontrollen rund um das fröhliche Treiben bei vielen Autofahrern feststellen, dass sie mehr Alkohol in der Blutbahn haben als es für die allgemeine Verkehrssicherheit zuträglich ist. Doch demnächst kann der ein oder andere Autofahrer auf die Frage, ob er etwas getrunken habe, beruhigt mit Nein antworten, aber das Auto. Bevor die Polizisten dann aber den Fahrer doch wegen Verdacht auf Volltrunkenheit zur Blutprobe bitten, hier schnell eine Erklärung.

Dass Autos mit Alkohol fahren können, ist – ganz genau besehen – ein alter Hut. Schon Nikolas August Otto verwendete 1860 Ethanol als Kraftstoff in einem Prototyp seines Verbrennungsmotors. Auch Henry Ford ging davon aus, dass Ethanol der wesentliche Kraftstoff für sein legendäres T-Modell sein würde. In Deutschland wurde Ethanol ab 1925 in großem Umfang dem Kraftstoffmarkt als Mittel zur Erhöhung der Klopffestigkeit des Benzins zugeführt. Die niedrigen Erdölpreise in der Nachkriegszeit verhinderten ein Wiederaufleben dieser Ethanolbeimischung.

Was verbirgt sich nun hinter der Bezeichnung E 85? Das Kürzel steht für ein Ethanol-Benzingemisch. Dabei fungiert Benzin nur als Additiv und verbessert insbesondere die Kaltstarteigenschaften. E85 besteht zu 85 Prozent aus Ethanol und zu 15 Prozent aus Benzin. Der Kraftstoff wird in einem Vorgang wie beim Schnapsbrennen schon heute aus speziell dafür angebauten Pflanzen wie Zuckerrohr und aus der überschüssigen Agrarproduktion etwa von Getreide oder Zuckerrüben gewonnen. In schwedischen Pilotprojekten wird Ethanol bereits aus den Abfällen der Holz- und Papierindustrie destilliert, und schon in naher Zukunft soll der Treibstoff auch aus den organischen Bestandteilen des Hausmülls gewonnen werden. Weil die Pflanzen beim Wachstum das CO2 absorbieren, das später beim Verbrennen des Kraftstoffes freigesetzt wird, kommt die Automobilindustrie damit nahe an eine ausgeglichene Kohlendioxid-Bilanz. Zwar erhöht sich aufgrund des geringeren Heizwertes der Verbrauch, dafür lässt sich aber dank der höheren Oktanzahl von 110 bei einem entsprechenden Motormanagement die Leistung erhöhen. In Brasilien wird Ethanol als Kraftstoff seit über 20 Jahren verwendet. Zwei Drittel aller dortigen Neuzulassungen sind so genante Flexfueler (FFV), die mit Benzin oder reinem Ethanol – in welcher Mischung auch immer – fahren können. Der Rest der brasilianischen Pkws fährt mit Benzin dem zwischen 20 bis 24 % Alkohol beigemischt wird. Dem Beispiel Brasiliens sind die USA gefolgt, die bereits über 20 verschiedene bivalente Fahrzeugmodelle anbieten. In Europa sind die Schweden seit fünf Jahren Vorreiter, die bereits über ein dichtes Tankstellennetz von E85 verfügen.

Unter dem Kürzel Saab BioPower vermarktet nun die schwedische GM-Tochter verstärkt ihre biologisch erzeugten Muskeln in Deutschland. Zwei Bio-Power-Motoren stehen für das Mittelklasse-Modell 9-5 zur Auswahl, der bereits bekannte 2,0-Liter mit 132 kW/180 PS und ganz neu das 2,3-Liter-Aggregat mit einer Leistung von 154 kW/210 PS. Das sind 25 PS mehr als im reinen Benzinbetrieb. Statt 280 Nm sorgen jetzt 310 Nm für ordentliche Durchzugskraft. Der Standardspurt gelingt mit Alkohol im Tank in 7,9 Sekunden. Das Fahren gestaltet sich ganz unspektakulär, nur die Verbrauchsanzeige arbeitet schneller. Mit reinem Benzin bewegt, verbrauchen die Schweden 10 Liter beziehungsweise 10,3 Liter im Kombi. Mit E 85 steigt der Verbrauch im deutschen Autoalltag der geringeren Energiedichte des Treibstoffes auf etwa 12 Liter. Im Gegenzug kostet der Sprit deutlich weniger als herkömmliches Benzin, da die Besteuerung geringer ausfällt. Die Tankstellendichte ist noch sehr dünn, zurzeit gibt es den Bio-Sprit nur an 70 Tankstellen, meist auf Betriebshöfen. Aber der Tiger im Tank muss nicht immer alkoholisiert sein, er fährt auch mit normalem, teuerem Benzin. Die Industrie will jedoch nachrüsten, so dass in naher Zukunft 200 Zapfstellen entstehen sollen. Mit einem Einstiegspreis von 33.750 Euro ist der Saab BioPower einen glatten Tausender teurer als sein nur Benzin konsumierendes Pendant. Der Aufpreis fällt also deutlich geringer aus als beispielsweise für einen Diesel.

Text: Günter Weigel

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