Vergessen wir einmal die Legende vom Shootingstar Ford Capri, der die überraschten Opelaner antrieb, mit einem eilig entwickelten Macho-Coupé namens Manta eine schnelle Antwort zu finden. Vor 50 Jahren, als der anfangs keineswegs muskulöse Familiensportler Manta kam, hatte die Marke mit dem Blitz längst alle Biederkeit abgelegt und mit Pulsbeschleunigern wie Opel GT, Commodore GS, Rekord Sprint oder Rallye-Kadett eine Coolness erlangt, von der andere Massenmarken träumten. Und in den Verkaufscharts musste sich damals sogar VW Sorgen um seine angestammte „Pole Position“ vor Opel machen. Tatsächlich war die Entwicklung des Opel Manta schon 1966 angelaufen, dies zunächst als flotter Nachfolger des Kadett B. Dann jedoch fand Opel zwischen Kadett und Rekord genügend Raum für eine eigenständige Reihe, die Modelle Ascona und Manta. Schnelles Fließheck, lange Motorhaube und eine Doppelscheinwerfer-Front im Stil italienischer Supersportler, dazu ein Schwung in Flanken und Motorhaube wie beim Manta-Rochen aus den Filmen des Meeresforschers Jacques Cousteau: Fertig war ein verführerisches Coupé „für junge Familienväter, denen der Opel GT zu klein ist und für Frauen, die sportliche Fahrzeuge mit Chic bevorzugen“, wie das Opel-Marketing 1970 bei der Pressepremiere erklärte. Mit der Performance eines V6-Capri konnte sich der Vierzylinder-Manta ohnehin nicht messen, denn so richtig bissig wurde der Rüsselsheimer Rochen erst in zweiter, 1975 lancierter Generation. Nun machte der Volkssportler auf „wilder Kerl“ oder „Porsche-Schreck“. Was konnte da noch kommen? Schriller Kultstatus durch Kino-Comedy wie „Manta, Manta“.
Tatsächlich sind es nicht nur gut gepflegte Oldtimer, die das fast zwei Jahrzehnte lang gebaute Opel-Coupé bis heute vor dem Vergessen bewahrt haben. Es ist vor allem das Lebensgefühl, mit dem der Manta die Menschen bewegte und das unlängst sogar im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in einer Ausstellung gewürdigt wurde. Im Mittelpunkt stand dabei die im Kult-Film „Manta, Manta“ liebevoll inszenierte Kultur der von Bastlern und Tunern mit Fuchsschwanz, Spoilern oder Kenwood-Aufklebern transformierten Manta, deren Fahrer den Namen Manni tragen, Ruhrpott-Slang sprechen, eine blonde Friseurin als Beifahrerin haben und sich gerne des Ausrufs „Boah Ey!“ bedienen. Dazu passten die bis weit ins 21. Jahrhundert kursierenden Manta-Witze, die mit Wortkreationen wie Mantaplatte für Currywurst mit Pommes sogar Volkskunde-Wissenschaftler beschäftigten. Obwohl Spottobjekt, nahmen die realen Manta-Fahrer zumindest den Kultstatus ihres Klassikers mit einem Grinsen oder Selbstironie zur Kenntnis, wie sich an bis heute erhältlichen Aufklebern zeigt mit dem Spruch „Opel fahr’n is wie wennze‘ fliechst“.
Ein Credo, das sich auf den Werbeslogan „Nur Fliegen ist schöner“ bezieht, kreiert 1968 für den Opel GT. Tatsächlich verbinden diesen Klappscheinwerfer-Zweisitzer und den fünfsitzigen Opel Manta gemeinsame Gene: Die Technik des kompakten Kadetts. Wurde der Opel Manta doch ab 1966 als Nachfolger des Kadett B Coupé entwickelt, dann aber zusammen mit der Limousine Ascona eine Klasse höher positioniert. Schnelle Autos waren Statussymbole in der Wohlstands- und Leistungsgesellschaft um 1970 und dafür genügte es manchmal, lediglich flott auszusehen. Deshalb erhielt der Manta Insignien wie runde Rückleuchten im Stil des scharfen Opel GT und eine langgestreckte, optional mattschwarze Motorhaube, unter der sich harmlose Vierzylinder verbargen mit Leistungswerten zwischen 50 kW/68 PS und 66 kW/90 PS.
Später ergänzte sogar eine Sparversion mit 44 kW/60 PS das Portfolio. Für Furore sorgte der Manta durch Eleganz im italienischen Stil. So adaptierte die Doppelscheinwerfer-Front Designmerkmale von Fiat- und Ferrari-Sportwagen und mit der 1972 nachgeschobenen, luxuriös angehauchten Ausstattungslinie Berlinetta gewann der Manta eine große weibliche Fangemeinde. Trotzdem musste das Opel Coupé irgendwann auch die Power-Attribute eines Männerautos aufnehmen und so gab es den Manta ausgerechnet zur ersten Ölkrise als 190-km/h-schnellen GT/E mit dem ersten Vierzylinder-Einspritzmotor der Opel-Historie. Der belgische Tuner Transeurope verkaufte den Manta 2800 TE mit mächtiger 2,8-Liter-Maschine aus dem Opel Admiral. Sein finales Jahr feierte der erste Manta zudem mit Sondermodellen wie der von Sammlern begehrten Edition Black Magic, ehe der in allen Dimensionen gewachsene Manta B – gemeinsam mit der zweiten Generation der Limousine Ascona – auf der Frankfurter IAA 1975 debütierte.
Im Gegensatz zu vielen frontgetriebenen Coupés wie VW Scirocco, Fiat 128 Berlinetta oder Alfasud Sprint vertraute der Manta B weiterhin auf konservativen Hinterradantrieb und überlebte damit sogar den technologischen Sprung im eigenen Haus, als 1981 der neue Ascona C die Kraft endlich an die Vorderräder leitete. Die Manta-Käufer störte das Klammern an Traditionen nicht, sie liebten den auch im Motorsport viel Staub aufwirbelnden Hinterrad-Quertreiber. Und wer es alltagsfreundlicher wollte, konnte ab 1978 den Manta CC mit praktischer Heckklappe ordern. Eine Ladeluke, die den preiswerten Opel auch gegen neue Konkurrenten der 1980er Jahre bestehen ließ wie Renault Fuego, Volvo 480 oder Mitsubishi Cordia. Vor allem aber zog Opel mit diesem Detail endlich mit dem 1974 eingeführten Capri II gleich, den Ford umgehend zum Capri ‘78 optisch nachschärfte. In den Verkaufszahlen konnte sich das Opel Coupé nie mit dem Capri messen, aber passgenau zur Feier des millionsten Manta im Jahr 1984 räumte der Ford hierzulande das Feld. Vielleicht verkörperte der inzwischen ausschließlich im belgischen Werk Antwerpen gebaute Opel die Gene ewiger Jugend erfolgreicher.
Immerhin bot der Opel seit 1981 den Wahnsinn, wie ihn junge Wilde damals liebten, vor allem als üppig beflügeltes Muskelpaket und Motorsportstar mit dem Powersignet Manta 400. 206 kW/280 PS ließen den Blitzträger die Rallye Paris-Dakar in der Kategorie Auto ohne Allradantrieb gewinnen und bei Rundstreckenläufen sogar Porsche scheuchen. Als 106 kW/144 PS starke Straßenversion – laut Werbung exklusiv „Für Kenner und Könner“ – lehrte er die Porsche 924/944 bei Sprintduellen das Fürchten und sogar der Ferrari Mondial hatte damals das Nachsehen.
Wem das notwendige Kleingeld für den kostspieligen Manta 400 fehlte, konnte die braven und bezahlbaren 1,6- oder 1,9-Liter-Manta zumindest optisch aufrüsten. Kontinuierlicher Feinschliff in Designdetails hielt den Altstar bis zum Ende der 1980er Jahre frisch, zumindest in den Augen der Hardcore-Fans. Die allerletzten Mantas wurden 1989 neu zugelassen, bereits mit ungeregeltem Abgaskatalysator und nur kurz vor dem Debüt des Calibra. Eines aerodynamischen Coupés, das für eine neue Ära sportiver Opel stand, während der eingestellte Manta weiterhin die Lust an Provokation pflegte: Noch 30 Jahre nach dem Debüt startete ein ehemaliger Werkswagen erfolgreich bei Langstreckenläufen auf dem Nürburgring.
Fotos: Opel