Drafi Deutscher: Diesseits von Eden. Die große Hit-Collection. (edel)
Geplant war diese Compilation gewissermaßen als Geschenk der Schallplattenfirma an Drafi Deutscher zu dessen 60. Geburstag. Dass sie nun als Vermächtnis des Künstlers gelten darf, ist einer jener traurigen Zufälle, an denen das Leben mitunter (zu) reich ist.
Drafi Deutscher, am 9. Mai 1946 geboren, ist für die deutsche Unterhaltungsmusik gleich dreifach von großer Bedeutung. Er war Beat-Idol, er zeigte, dass man es mit Talent, eisernem Willen und mit Fleiß bis ganz nach oben schaffen kann (ein Gedanke, der im Hinblick auf heutige Casting-Shows und künstlich zu Stars gezüchteten Sternchen besonders sympathisch wirkt) – und er war Jahrzehnte lang einer der produktivsten Komponisten für Kolleginnen und Kollegen.
Seit den frühen sechziger Jahren musikalisch umtriebig, gelang ihm 1965 mit Marmor, Stein und Eisen bricht ein Volltreffer, heute ein absoluter Klassiker. Und mit seinem kometenhaften Aufstieg verkörperte Drafi den Aufstieg aus armen Verhältnissen zum Idol für viele. Weitere Titel wie Cinderella Baby und Shake Hands lösten die zuvor gängigen Schlager der wirtschaftswunderseligen Biederkeit ab. Nach einem Skandal, der aus heutiger Sicht den Namen mitnichten verdiente, erlebte seine Karriere einen kleinen Knick. Als einige Jahre später Titel wie Be My Boogie Woogie Baby (Mr. Walkie Talkie, zunächst in den Beneluxländern ein Top-Hit), Fly Away Pretty Flamingo (Peggy March) und Silver Bird (Tina Rainford) und vor allem Belfast von Boney M. an die Spitze der Charts stürmten, kam ein zunächst sorgsam gehütetes Geheimnis doch heraus: Für all diese Titel zeichnete Drafi Deutscher unter Pseudonymen verantwortlich. Der Erfolg machte das angebliche Skandälchen vergessen, und spätestens das 1980 zum dritten Mal veröffentlichte Can I Reach You wurde nach einem Auftritt in der ARD-Plattenkücbe ein Hit. Die Plattenfirma gab als Interpreten auf der Plattenhülle nicht nur das Pseudonym an, sondern schrieb gleich Jack Goldbird ist Drafi Deutscher.
Nicht fehlen darf in dieser Liste Drafis Erfolg als Komponist für Nino de Angelo: Jenseits von Eden sang er in der englischen Version als Guardian Angel gleich selbst, diesmal – die Camouflage schien ihm mittlerweile schlichtweg Spaß zu machen – als Masquerade. Im Duett mit Oliver Simon (und zeitweilig mit Andreas Martin) stand er als Mixed Emotion 1987 zeitweise mit drei Titeln in den Hitparaden. Mitte der 90er Jahre nahm er ernstere Titel auf -das passte zu einem etwas gereiften Herrn, dessen jahrelang unverwüstlicher Körper nun bisweilen die Grenzen der Belastbarkeit zeigte. Drafi Deutscher reduzierte sein Arbeitspensum, ohne an so etwas wie den Rückzug ins Private zu denken. Kurz nach seinem 60. Geburstag starb er nach rund zweiwöchigem Koma.
Hört man diese drei CDs ab, fragt man sich in der Tat, wann Drafi Deutscher sich so etwas wie Ruhe gegönnt haben soll. Zu bekannten Hits wie die erwähnten Marmor, Stein und Eisen bricht und den Rummelplatz-Sommer-Klassiker Be My Boogie Woogie Baby kommen zahlreiche Titel, die entweder hier erstmals auf CD zu finden sind – oder überhaupt erstmals veröffentlicht wurden. Hierzu zählt vor allem das vor rund 20 Jahren aufgenommene ambitionierte Album Lost in New York City, das sich bei allem investierten Perfektionismus nicht so gut verkaufte wie andere Deutscher-Produktionen.
Und selbst wer für Schlager oder Unterhaltungsmusik nicht allzu viel übrig hat, kann sich von der hier gezeigten Wandlungsfähigkeit eines Multitalents beeindrucken lassen. Bis kurz vor seinem Tod hat Drafi Deutscher weitere eigenene Titel aufgenommen, deren Veröffentlichung zumindest nicht ausgeschlossen ist.