40 Jahre Volkswagen Golf Cabriolet

Glatt geföhnt ist gefällig, aber selten so attraktiv wie eine ausdrucksstarke Sturmfrisur. Genau das erlebte der offene Golf, der als Henkelmann mit massivem Überrollbügel zum meistverkauften viersitzigen Cabriolet aller Zeiten avancierte. Mit dem Golf VI entfiel der kuriose Bügel und dennoch fand der VW im verführerischen Sommerkleid zu wenige Fans

„Sonne, Mond und Cabrio“, lautete der Werbeslogan, mit dem Volkswagen vor 40 Jahren die offene Variante des Golf I präsentierte. Sicher durch den charakteristischen Bügel und billig dank Großserienbasis wurde das Golf Cabriolet ein Sensationserfolg. Übertraf der kompakte Viersitzer doch sogar die Verkaufszahlen seines Faltdach-Vorgängers, des VW Käfer, für den Sonne und Mond damals gerade untergegangen war.

Nun war der Golf neuer Sonnenkönig und mit rund 800.000 Einheiten in vier Generationen avancierte er zum meistgebauten offenen Viersitzer aller Zeiten. Klar, dass fast alle Volumenhersteller an diesem Frischlufthype in der Kompaktklasse partizipieren wollten und so initiierte der als Erdbeerkörbchen belächelte Golf mehr als 20 Henkel-Konkurrenten von Ford Escort über Opel Kadett bis hin zu Fiat Ritmo und Peugeot 205.

Während die meisten Wolfsburger Wettbewerber später kurzlebigen Moden frönten wie der Idee des Coupé-Cabriolets blieb sich der Golf selbst treu. Wie ein Original trug er stolz das Textildach als Markensignet, verlor 2011 lediglich den typischen Überrollbügel und versteckte das beim Öffnen zum Berg aufgetürmte Verdeck – ein vom VW Käfer tradiertes Kennzeichen. Bügelfrei ähnelte das Golf Cabriolet letzter Generation der gefällig gezeichneten, geschlossenen Version dieses ewigen Bestsellers, vor allem bot der Open-Air-Klassiker nun keine Angriffsflächen für Kritiker. Trotzdem verspürte die Frischluft-Gemeinde weniger Lust auf das weichgespülte Offenfahr-Auto und so schickte Wolfsburg den einst populärsten Luftikus 2016 ins Museum. Frische Trends setzen soll stattdessen künftig der VW T-Roc, dies als erstes vielleicht erfolgreiches Cabrio im SUV-Segment.

Tatsächlich sind kompakte Cabriolets immer wieder kurzzeitig top und ebenso plötzlich passé, wie die Geschichte der kleinen Frischluftstars zeigt. Ein Schicksal, das sie mit anderen Modetrends teilen. Schließlich nutzen nicht wenige Käufer Cabriolets als Accessoire zur Differenzierung von der Masse, so wie die ins Haar geklemmte teure Marken-Sonnenbrille, das offen zur Schau gestellte Tattoo oder das gerade angesagte Smartphone. Verloren geht die Faszination des Besonderen dann, wenn das zunächst kostspielige Smartphone zum Grabbeltisch durchgereicht wird oder Cabriolets auf Discounterparkplätzen ähnlich verbreitet sind wie funktionale Familienkutschen. 

Genau diese Entwicklung widerfuhr auch dem Golf Cabriolet nachdem es die bezahlbaren offenen Viersitzer zum globalen Trend gemacht hatte. Deshalb legte der bis dahin in drei Generationen gefertigte Dolce-Vita-Golf schon 2002 eine erste Denkpause ein. Damals übernahmen gerade Sonnenstudios mit Metall-Klappdach die Deutungshoheit darüber, wie der bezahlbare Luxus eines familientauglichen Cabriolets auszusehen hat.

Als diese Coupé-Cabriolets den Zenit der Popularität überschritten hatten, meldete sich der Golf im Jahr 2011 mit Stoffmütze zurück, jetzt aber ohne charakteristischen Henkel. So sehr das Golf-Revival die Fans von Frischluft und wärmender Sonne freute, ließ es alle Lifestylesüchtigen kalt – waren doch dafür längst SUV die angesagten automobilen Accessoires. So verabschiedete sich die vierte und vorerst letzte Auflage des bei Karmann in Osnabrück gebauten Golf Cabriolets 2016 in aller Stille. Endgültig fiel der Vorhang für offene Volkswagen jedoch noch nicht, denn kommendes Jahr soll der kleine SUV T-Roc für viel Furore sorgen.

Schließlich stehen Cabriolets auch für eine unendliche Geschichte automobiler Fahrfreude, die im 19. Jahrhundert mit den ersten Patentmotorwagen von Benz und Daimler begann und im Nachkriegsdeutschland vor allem vom VW Käfer mit Klappverdeck fortgeschrieben wurde. Brachte doch das bei Karmann gefertigte familienfreundliche Kompaktcabrio so viel bezahlbaren luftigen Lifestyle in die Autowelt, dass sich der Sonnenkäfer auf Platz eins unter den populärsten offenen Viersitzern positionierte. Lange Zeit konnte sich niemand ein Ende der Karriere des offenen Käfers vorstellen, aber 1975 zeigten sich Schatten an der Wand. Die VW 1303 Limousine lief aus und nun war das 1303 Cabrio neben dem exklusiven Rolls-Royce Corniche der letzte Sonnensegler mit Fondsitzen. Das Cabrio schien in den freudlosen 1970ern tot, trotzdem entstand beim Open-Air-Spezialisten Karmann ein offener VW Golf als Prototyp, so wie der Käfer bügelfrei.

Zum Serienstart ging es dann aber doch nicht ohne den stilprägenden festen Bügel an der B-Säule. Notwendig war der optisch aufdringliche Überschlagschutz übrigens weniger wegen angeblicher neuer Sicherheitsgesetze in Nordamerika, sondern vor allem als preiswerte Stabilitätsmaßnahme gegen Verwindungserscheinungen der ihres Blechdachs beraubten Karosserien. Zum Erfolgsgeheimnis des von Neidern als Henkelmann verspotteten Volkswagens gehörten natürlich auch die unproblematischen Alltagseigenschaften der Golf-Limousine, die robuste, langlebige Technik und winterbeständige, hochwertige Stoffverdecke. Qualitäten, mit denen der offene Golf in die großen Fußabdrücke des Käfer Cabriolets trat, das im Januar 1980 auslief.

Die neue Generation Frischluft konnte aber noch mehr, zum Beispiel rasantes Tempo dank des 81 kW/110 PS starken Benzineinspritzer aus dem sportlichen Golf GTI. Damit ausgerüstet war das Golf GLI Cabriolet beim Standardsprint auf Tempo 100 fast ebenso flott wie Sportwagen vom Kaliber eines Porsche 924. Richtig in Schwung kam der Absatz des Golf mit dem bis dahin nur vom Baur-BMW und Triumph Stag bekannten Bügel trotzdem mit Verzögerung. Erst eine neue Falttechnik für das nun zehn Zentimeter flachere und weniger monströse Verdeck, dazu automobile Hauptrollen in Blogbuster-TV-Serien wie der „Schwarzwaldklinik“ sowie dauerhaft erschwingliche Preise ließen die Bestelleingänge für den windigen Gesellen auf Sturmstärke anwachsen. Tatsächlich genügten sanfte Modellpflegen und Sondermodelle mit sommerlich-klangvollen Namen wie Acapulco, Bel Air oder Toscana, um das Cabrio im kaum veränderten Kleid bis 1993 begehrenswert zu halten. Da hatte die Limousine bereits zwei Modellwechsel überstanden und Nachahmer-Cabriolets von Konkurrenten wie Ford, Opel und Peugeot hatten ebenfalls schon die Mode gewechselt.

Den Golf kümmerte das nicht. Er zeigte sich erst auf der IAA 1993 im Dress des Golf III und war damals bereits erfolgreichster offener Viersitzer der Welt. Erstmals ließen sich jetzt die hinteren Seitenscheiben voll versenken und ein sparsamer, aber laut nagelnder Diesel lieferte eine bei Cabrios ungewohnte akustische Kulisse. Kleine kosmetische Eingriffe genügten, um 1998 aus dem Golf III Cabriolet das Golf IV zu formen, dessen letzte Exemplare 2001 in Osnabrück gebaut wurden.

Weiter ging es erst 2011, nun mit einem Cabriolet auf der sechsten Golf-Generation und das mit nur im Ernstfall automatisch ausfahrendem Überschlagschutz. Trotz spektakulärer Highlights wie dem 250 km/h schnellen Golf R war die Mode nach nur fünf Jahren über den Luftikus hinweggegangen.

Bilder: VW

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