Waren doch die Limousine Octavia und das Sportcabriolet Felicia letztlich nur Facelifts der bereits jahrelang gebauten Skoda-Typen S 440 und S 445. Trotzdem legte Nummer acht – der lateinische Begriff Octavia bezog sich auf das achte Skoda-Modell mit hochmoderner Einzelradaufhängung – das Fundament für eine beispielhafte Erfolgsstory.
Der Octavia widerlegte nicht nur alle Skeptiker, gemeinsam mit der Open-Air-Variante Felicia machte er Skoda ab 1959 zur einzigen global begehrten Marke aus dem damaligen Ostblock, die sogar auf Designshows in Brüssel oder Genf Anerkennung erfuhr. Heute, nach mehr als 6,5 Millionen verkauften Octavia aus vier Generationen, ist der Bestseller zum Herzstück des fast 120 Jahre alten Automobilherstellers aus dem böhmischen Mladá Boleslav mutiert. Unter wechselnden politischen Rahmenbedingungen bewahrte sich der Octavia das Erfolgsrezept gelungener böhmischer Küchenspezialitäten: Preiswerte und verlässliche Kost, verführerisch präsentiert und mit einem Hauch Raffinesse. Für letztere stehen beim Octavia schnelle Sportversionen und stylische Transporter. Genau diese Formel machte das Fahrzeug gleich zwei Mal zum populärsten Botschafter Böhmens: 1959 als bezahlbares Volksauto und seit 1996 als tschechische Version des VW Golf.
Skoda gelang, was anderen osteuropäischen Marken verwehrt blieb, nämlich der Aufstieg zum global erfolgreichen Autobauer, der heute in Deutschland die einheimischen Platzhirsche unter Druck setzt. Wichtigster Erfolgsträger dafür ist weiterhin die vielfältige Octavia-Familie, die als einzige Kompaktklassefahrzeuge seit sechs Jahrzehnten sogar staatstragende Funktionen übernehmen. Zur Serienfertigung einer standesgemäß gestreckten Octavia-Chauffeurlimousine für die tschechische Staatsführung kam es zwar erst unter VW-Ägide im Jahr 1999, aber ein Politikum war die Baureihe schon im Herbst 1953. Damals erteilte die tschechoslowakische Regierung den Entwicklungsauftrag für das bezahlbare Octavia-Ausgangsmodell S 440 – um die Bevölkerung zu beruhigen, die gerade unter einer Währungsreform litt. Präsentiert wurde der erste Prototyp des Volksautos am 19. Dezember 1953 als Geburtstagsgeschenk für den Staatspräsidenten Antonin Zapotcky und zur Freude des Politfunktionärs für den Außenhandel, der den Skoda sofort als Devisenbringer einplante.
Zwei Jahre später startete endlich die Serienfertigung des Skoda S 440 in so fortschrittlicher und eleganter Pontonform, dass sich der 1959 daraus hervorgegangene Octavia mit geringfügiger optischer Kosmetik begnügen konnte. Weit mehr als 60 Länder zählten zu den Abnehmern der agilen 1,1-Liter-Limousine, die gegen westliche Typen antrat wie Borgward Hansa 1100, Ford Taunus 12 M oder Opel 1200 und die als erstes Ostauto sofort in skandinavischen Regierungsfuhrparks eingesetzt wurde. Aber auch in Deutschland sorgten sportiv angehauchte Spitzenversionen des Octavia mit 1,2-Liter-Hubraum und die elegante Cabrioversion Felicia für Furore. Zumal das Skoda-Duett nun die Rolle einer erschwinglichen Isabella des Ostens übernahm. Wie dieses legendäre Borgward-Modell gab es den Octavia in sportlicher TS-Version („Touring Sport“), die ihre Karriere in den Jahren 1961 bis 1963 mit drei Klassensiegen bei der Rallye Monte Carlo krönte. Zuverlässigkeit vor Höchstgeschwindigkeit lautete dagegen die Devise bei 10.000-Kilometer-Trophies wie der Tour d’Europe 1960, die der dynamische Tscheche bravourös bestand, während 54 von 70 Konkurrenten ausfielen.
Dagegen galt die verführerisch gezeichnete Felicia als feines Cabriolet, das in zahllosen Kino- und TV-Filmen die automobile Hauptrolle besetzte. Man mag es kaum glauben, aber in der Bundesrepublik gab es automobilaffine Unternehmer, die ihr 44 kW/60 PS leistendes Porsche 356 Cabriolet durch das fast ebenso starke Kultcabrio Felicia ersetzten. Ein Luftikus, der übrigens nur die Hälfte des offenen Porsche oder der Isabella mit Verdeck kostete und sogar billiger war als die ebenfalls rassigen Wartburg Roadster und Cabriolets aus DDR-Produktion. Zum offenen Showdown zwischen den Devisenbringern Wartburg und Skoda kam es auf westeuropäischen Märkten wie Benelux, Großbritannien oder Skandinavien und das mit eindeutigem Ergebnis: Octavia und Felicia erzielten sechs Mal höhere Verkaufszahlen als die politisch verbrüderten Eisenacher.
Übrigens waren die modernen Viertakt-Frontmotor-Skoda auch in der DDR überaus beliebt, denn das sportive Image und eine sorgfältige Verarbeitung sowohl der zweitürigen Limousinen als auch der Cabriolets (ab 1961 mit angedeuteten Heckflossen) vermittelten einen Hauch westlichen Lifestyle. Dazu passte auch der 1960 eingeführte Octavia Combi mit vertikal geteilter Heckklappe im Stil eines schicken Shootingbrakes. Schließlich zählten sogar Nordamerika und Neuseeland zu den Absatzmärken von Skoda. In Neuseeland lieferte der Octavia 1966 die technische Basis für den SUV-Pionier Trekka: Das erste Auto neuseeländischer Konzeption und Produktion, das sich dank Sperrdifferential auch zu entlegenen Schafweiden und Surfparadiesen durchkämpfte und dafür keinen Allradantrieb benötigte.
Konsequenter Feinschliff genügte, um Octavia und Felicia fit zu halten, bis Skoda 1964 eine Rolle rückwärts machte. Während andere gerade die Heckmotorära zu Grabe trugen, lösten die Modelle Skoda 1000/1100 MB mit hinten platziertem Motor die bis zum Schluss modernen Octavia/Felicia ab. Nur der Octavia Combi durfte bis in die 1970er Jahre überdauern, denn für diesen fünfsitzigen Laderiesen mit einem Stauvolumen vergleichbar fast dem Volvo Amazon Kombi fand sich kein Ersatz.
Auch eine über zwanzigjährige Zwangspause ließ den Nimbus des Modellnamens Octavia nicht verblassen. Kaum war Skoda in den Volkswagen-Konzern integriert, startete 1992 die Entwicklung eines neuen Octavia, der vier Jahre später zuerst als fünftürige Schräghecklimousine und ab 1998 auch als „Combi“ die Marke mit dem geflügelten Pfeil im Logo in eine Zukunft voller wundersamer Überraschungen führte. Mit VW-Technik unter einem eleganten Blechkleid, das Designkritiker anfangs an die Konturen nobler Italiener erinnerte, bewirkte der Octavia für Skoda einen rekordverdächtig raschen Imagewandel. Befreit vom Ballast des vormaligen Staatsdirigismus, gelang Skoda ein rasanter Relaunch mit dem Octavia als Nummer eins in den deutschen Importcharts und mit Produktionsstätten in drei Kontinenten.
Die Nummer Acht bringt den Tschechen Glück und das manchmal doppelt. Denn die zweite Octavia-Generation wurde sogar sechs Jahre parallel zu ihrem Nachfolger verkauft. Nach bald sieben Millionen Octavia aus vier Generationen gibt es keinen Zweifel, dass dieses Skoda-Modell auch eine elektrische Zukunft hat.