Mit einem 19 Kilometer langen Einzel-Zeitfahren an der Atlanik-Küste beginnt am Samstag die 92. Tour de France, das schwerste Radrennen der Welt. Für viele Automobil-Hersteller ist die in diesem Jahr 3.584 Kilometer lange Tour der Leiden alle Jahre wieder ein willkommenes Schaufenster um ihre Produkte weltweit in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. So ist Škoda zum zweiten Mal nach 2004 offizieller Ausrüster der Tour-Karawane und Audi begleitet das deutsche t-mobile-Team des Tour-Siegers von 1997, Jan Ullrich, als Co-Sponsor. KÜS-magazin-Mitarbeiter Jürgen C. Braun wird während der nächsten drei Wochen in loser Folge seine persönlichen Impressionen von der Großen Schleife, auch unter besonderer Berücksichtigung des Themas Automobil im Besonderen und Mobilität im Allgemeinen wieder geben. Hier sein erster Stimmungsbericht aus Challans über den sechsfachen Gesamt-Sieger Lance Armstrong, der nach der diesjährigen Tour seine unvergleichliche Karriere beenden wird.
Zwei Tage vor dem Start zu seinem letzten großen Auftritt in der Liga der Superstars und seiner persönlichen Tour d'Adieu gibt sich Lance Armstrong kämpferisch wie eh und je. Am Mittwoch im privaten Jet auf dem Flughafen Nantes Atlantique eingetroffen, sah sich der sechsfache Tour-de-France-Gewinner gestern schon einmal den Kurs des mit 19 Kilometer ungewöhnlich langen Prologs am Samstag an.
Der Schriftzug seines neuen Hauptsponsors könnte Programm für den Final-Akkord des 33-Jährigen sein: Discovery Channel: Der Entdecker-Kanal. Die vor 20 Jahren gegründete Kette, die sich weltweit in mittlerweile 155 Ländern mit Dokumentar-Serien und Reportagen einen Namen gemacht hat, tritt in diesem Jahr die Nachfolge von US Postal an. Für den Texaner ist seine letzte Tour-Teilnahme und sein damit verbundenes Karriere-Ende gleichzeitig der Beginn einer großen Entdeckungsreise durch den eigenen Körper: Zu welchen Entbehrungen, zu welchen Leistungen ist ein Mensch noch fähig, der den Krebs besiegt und über Jahre hinweg zum Symbol menschlicher Willenskraft und Leidensfähigkeit geworden ist?
Im Moment verschwende ich noch keinen Gedanken an den 24. Juli, der mich zum Privatmann machen wird. Ich bin zu sehr konzentriert auf meine letzte große Aufgabe. Ich brauche diesen Druck, um optimal vorbereitet zu sein. Diese Fähigkeit, innerhalb kürzester Zeit alles einem einzigen Ziel unterzuordnen, ist eine der Grundlagen meiner Erfolge. Dass er dabei zum ersten Mal ohne einen einzigen Saisonsieg am Samstag in Fromentine an der Atlantikküste an den Start der 92. Tour gehen wird, stört ihn nicht. Die nächsten drei Wochen zählen. Nicht das, was vorher war.
So auch die Ergebnisse der Dauphinée-Rundfahrt, die er als Vierter beendete, dabei einrelativ gutes Zeitfahren absolvierte und am Anstieg zum legendären Mont Ventoux zum Schluss die Beine hoch genommen hatte. Niemand kennt meinen Körper besser als ich, weiß, was er ihm zumuten kann und was er ihm vorher abverlangen muss. Deshalb flog er zwischendurch auch noch einmal für ein paar Tage in die Staaten, um dort an einer Wohltätigkeits-Veranstaltung seiner Lance Armstrong Foundation (LAF) teilzunehmen. Das schmeckte zwar seinem sportlichen Leiter Johan Bruyneel nicht, doch Armstrong, der zwischen seinem europäischen Wohnort im nordspanischen Gerona und seiner texanischen Heimat pendelt, setzt bereits die Prioritäten für das Leben danach. Seine Stiftung ist ihm wichtig, für sie will er sich in Zukunft verstärkt einsetzen. Genau so wichtig wie seine beiden Kinder, die er jenseits des Atlantiks vor dem Start noch einmal in die Arme schloss.
Europa, Frankreich, das ist die Stätte seines Triumphes, das ist ein Leben in drei Wochen. Amerika, Texas aber ist seine Herkunft, dort liegen seine Wurzeln. Und dort will er, ausgestattet mit allen Attributen des Helden- und Legendenstatus, offenbar weiter Geschichte schreiben, wenn der Radprofi Lance Armstrong längst Geschichte geworden ist. Im nächsten Jahr vielleicht noch nicht, aber Austin ist ein schöner Ort zum Leben und beinhaltet eine reizvolle Tätigkeit, bekräftigt er seine Ambitionen auf das Amt des Gouverneurs von Texas. Damit würde er in die Fußstapfen seines Präsidenten George W. Bush treten, der ebenfalls aus Cowboy-Country auszog, um Amerika und den verschwindend geringen Teil der restlichen Welt zu erobern. Eine Tätigkeit, in der Armstrong Bush bekanntlich in nichts nachsteht und die ihm zukünftige Karriere-Alternativen aufzeigt.
Ein Leben hat mitunter mehr zu bieten als nur drei Wochen im Jahr.
Text: Jürgen C. Braun
Foto: Škoda Auto Deutschland