Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Zu meinen Aufgaben und den meiner Kolleginnen und Kollegen, die auf dieser Seite immer wieder berichten, gehört es in erster Linie, sich mit Mobilität im Allgemeinen auseinander zu setzen und Ihnen dieses ganze Spektrum näher zu bringen. In den meisten Fällen geht es dabei – wen wundert es – um die individuelle Mobilität, also um das Auto. Wir stellen neue Autos vor, berichten über technische Entwicklungen, sagen unsere persönliche Meinung, lassen Ihnen aber auch den Freiraum, sich Ihr Urteil selbst zu bilden.
Ich persönlich habe einen weiten Rahmen, was das Thema der individuellen Mobilität angeht. Neben verschiedenartigsten neuen und auch sehr gerne alten Autos bewege ich mich auch oft mit größtem Vergnügen mit dem Rad. Zum Ausgleich, weil es mir Spaß macht und auch, weil sich auf diesem Markt immer etwas Neues tut. Und genau darum geht es heute.
Nicht nur unsere Autos, sondern auch unser Fahrräder betrifft sind seit einigen Jahren das Thema Elektroantrieb. Neben den Stromern auf vier Rädern, neben Hybrid-Fahrzeugen ist nun auch das Rad soweit, dass es „domestiziert“ wird und einer breiten Interessenten-Schicht zugänglich gemacht werden kann. Viele ältere Leute vor allem sind froh mit ihrem „E-Bike“, mit elektrischer Unterstützung für die Muskelkraft also Das ist gut so, denn so werden etliche Leute dazu gebracht, sich körperlich zu verausgaben, die das sonst nicht tun würden.
Was ich aber in dieser Woche gelesen habe, das ließ mich dann doch am Sinne sportlicher Betätigung auf dem Rad zweifeln. Seit mehr als 20 Jahren begleite ich die Tour de France als Berichterstatter und weiß, zu welchen Fähigkeiten Menschen im Sattel in der Lage sein müssen, um diese körperlichen Herausforderungen zu bestehen. Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugegangen ist, das möchte ich gar nicht verschweigen.
Dass mir aber jemals ein Rennrad über den Weg fahren würde, das sich eines elektrischen Hilfsmotors bedient, das wäre mir im Traum nie eingefallen. Und doch ist es jetzt so. Nun hat ein chinesischer Hersteller namens Bafang auf einer Fahrradmesse in Shanghai ein Rennrad mit einer kompakten Mittelmotor-Einheit vorgestellt. Der 2,3 Kilogramm schwere Motor erreicht laut einer Pressemitteilung des Herstellers eine Nennleistung von 200 Watt und ein maximales Drehmoment von 55 Newtonmetern. Außerdem lasse er sich mit Einzel- oder Zweikettenblatt-Antrieben kombinieren und sei bei Bedarf auch für S-Pedelecs mit einer maximalen Geschwindigkeit von 45 km/h ausgelegt.
Zielgruppe sollen unter anderem Rennrad-Enthusiasten sein, die „im Alter Muskelmasse ab- und Körpermasse aufgebaut haben, ihrem Sport aber treu bleiben wollen.“ So heißt es zumindest offiziell. Wenn ich das erste Rennrad mit E-Unterstützung im Sattel zur Kenntnis nehmen muss, werde ich es mit Verachtung strafen, liebe Leserinnen und Leser. Pedelecs und E-Bikes sind okay und eine sinnvolle Erfindung. Aber ein Rennrad bleibt ein Rennrad. Und das sollte bitte schön auch mit Muskelkraft angetrieben werden, weil es nämlich zum sportlichen Vergleich dient.
Ist zumindest meine Meinung.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun