In den 70er Jahren wäre dieses Buch eine Riesen-Überraschung gewesen. Damals war Dieter Hallervordens Nonstop Nonsens im ersten Programm zur besten abendlichen Sendezeit ein Straßenfeger. Hallervorden – das war Didi, und so unterzeichnete er bisweilen auch Autogrammkarten. Didi, das war palim palim, die Kuh Elsa, schnüffschnüffdischneuf zur Melodie von Doktor Schiwago. Didi – man lachte schon, kaum dass man ihn auf dem Bildschirm sah. Und live erst recht.
Ausgerechnet Thomas Gottschalk war es, der bei einem Na sowas – Auftritt von Hallervorden 1985 (nachzusehen auf YouTube.de) eine seinerzeit eher seltene Gelegenheit nutzte: den Vorzeigekomiker Deutschlands von einer ernsten, nachdenklichen Seite zu zeigen.
32 Jahre später gelingt es Tim Pröse, noch klarer hinter das zu schauen, was man von Dieter Hallervorden doch längst zu wissen glaubt. In langen Gesprächen – Hallervorden ist seinem Dialogpartner sehr vertrauensvoll entgegengekommen, und das ist dem Buch wohltuend anzumerken – entsteht das Bild eines Menschen, der zu unser aller palim palim wohl nur werden konnte, weil er vom Ernst des Lebens schon beizeiten viel verstehen musste. Seine eigentliche Heimat war immer das politische Kabarett, seine persönlichen Erfahrungen immer die des Lernwilligen. Da ist er ganz beim Kollegen Wilfried Schmickler, zu dessen Lieblingssätzen gehört: Ich weiß es doch auch nicht – lieber einmal mehr nachdenken, als eine Überzeugung zu früh festzuklopfen.
Ein Komiker macht Ernst liest sich leicht und ist doch keine leichte Kost. Dass das Buch erst heute erscheint – Hallervorden ist 82 – , ist nur eine logische Fortführung seiner späten Karriere: Denn mit Filmen wie Honig im Kopf, Sein letzter Weg (und in die Reihe gehört auch Die Spätzünder 2 – der Himmel soll warten) hat er vorzüglich daran erinnert, dass er als Komiker weit mehr kann als Klamauk. Dessen Highlights immerhin ganz selbstverständlich zum deutschen Sprachgebrauch gehören. Inzwischen.
Tim Pröse: Hallervorden – Ein Komiker macht Ernst. Hoffmann und Campe Verlag; 20 Euro.