Mercedes: Jubiläum bei den E-Klasse-Coupés

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Sie waren die Individualisten unter den millionenfach verkauften mittleren Mercedes-Baureihen W 123 und W 124. Zwei klassische Hardtop-Coupés, die sich der vielleicht schönsten automobilen Karosserieform verpflichteten und die durch voll versenkbare Seitenscheiben das Gefühl offenen Fahrens vermitteln sollten. Ansonsten differenzierten sich die vor 40 Jahren vorgestellten zweitürigen Typen 230 C bis 280 CE (Serie C 123) und die 1987 nachfolgenden Coupés 230 CE bis 320 CE (Serie C 124) kaum von den entsprechenden E-Klasse-Limousinen. Schließlich genügten der arrivierten Kundschaft elegante zweitürige Konturen, um dezent auf die Zugehörigkeit zur automobilen Haute-Couture hinzuweisen und zugleich Abstand von der Taxi- und Dienstwagen-E-Klasse kundzutun.

So ganz auf Showeffekte verzichten wollte Mercedes dann aber doch nicht. Deshalb demonstrierte der 300 CD schon 1977 als weltweit erstes Fünfzylinder-Coupé, dass Dieselfahren endgültig gesellschaftsfähig war. Allerdings nur für die High Society auf Hollywood-Boulevard und New Yorker Fifth Avenue, denn nach Europa wagten sich die Stuttgarter mit diesem Spritsparer noch nicht. Auch beim 1987 lancierten C 124 Coupé servierte Mercedes eine Antriebsspezialität, diesmal jedoch als gut getarntes Powerpaket: Der optisch unauffällige E 36 AMG konnte mit 195 kW/265 PS starkem Vierventil-Sechszylinder sogar die V12-Coupés von BMW und Jaguar jagen.

In der Klassikerszene zählen Coupés grundsätzlich zu den Champs, sind sie doch formvollendete Zeugen ihrer Zeit. Also ganz so wie die chrombeladenen Mercedes 123er Coupés von 1977, deren Karosserien keine im Wind geglätteten filigranen Sportinsignien waren, sondern ein massives Burggefühl vermittelten. Allein der gegenüber den Limousinen geringfügig verkürzte Radstand, der niedrige Dachaufbau mit etwas stärker geneigten Scheiben und die rahmenlosen Seitenfenster vermittelten jenen Hauch eleganter Leichtigkeit, den die gutbetuchte, bürgerliche Kundschaft bei Coupés schätzte. Diese Art der Personalisierung genügte für die beachtliche Verkaufszahl von knapp 100.000 C-123-Mercedes in acht Jahren und deren Positionierung als elitäre Persönlichkeit gegenüber den millionenfach verkauften Limousinen.

Auch der Nachfolger dieses zweitürigen Bestseller-Benz, der vor 30 Jahren auf dem Genfer Salon enthüllte C 124, gab trotz zweitüriger Auslegung auf verkürzter Bodengruppe vor allem durch feine Designfacetten zu erkennen, dass er einer vornehmeren Fahrzeugkategorie angehörte als die entsprechende Limousine. So schenkte Mercedes Kult-Designer Bruno Sacco diesem Coupé eine italienisch anmutende, klassische Eleganz durch eine gut fünf Zentimeter niedrigere Dachlinie mit flacher wirkender Heckscheibe. Hinzu kamen C-Säulen, die weniger abgewinkelt in den Fond-Kotflügeln ausliefen und in Kontrastfarben lackierte Flankenschutz-Leisten. Optische Statussymbole, die klarstellten: Hier kommt eine E-Klasse, die gut ein Viertel mehr kostet als der Viertürer. 142.000 Käufer begeisterten sich für das C-124-Coupé-Konzept – nochmals gut 40 Prozent mehr als für den Vorgänger.

Dem Vorbild der S-Klasse-Coupés sollten die kleineren Stuttgarter Dynamiker in den Disziplinen distinguierte Eleganz und technische Innovationen folgen. Ansprüche, denen die C-123- und C-124-Typen in der oberen Mittelklasse mehr als gerecht wurden. In einem Coupéfeld, das sich Mitte der 1970er Jahre in Europa auf Exoten wie das exorbitant teure Lancia Gamma Coupé oder das kuriose Volvo 262 Coupé beschränkte, besetzten die Mercedes C-123-Coupés eine Sonderstellung. Nicht nur, dass die Sternenträger in einem einzigen Jahr so viele Käufer fanden wie Lancia und Volvo zusammen während ihrer gesamten Produktionszeit, die C-123-Serie führte auch technische Extravaganzen ein.

Respekt erwarb sich Mercedes-Benz zunächst mit dem Downsizing-Einstiegstyp 230 C mit 80 kW/109 PS entwickelndem 2,3-Liter-Vierzylinder, der den Sechszylinder des Vorgängers ersetzte und viele Fans fand. Vielleicht auch, weil der Vergaser bald durch eine Einspritzung ersetzt wurde, verbunden mit einer kleinen Leistungsspritze auf 100 kW/136 PS und nochmals reduziertem Verbrauch auf 8,2 Liter bei 90 km/h. Der wenig geliebte 280 C mit 115 kW/156 PS Vergaser-Sechszylinder wurde im gleich Zug gestrichen, denn der 280 CE 130 kW/177 PS kratzte an der prestigieusen 200-km/h-Marke.

Schlagzeilen als Sparmeister machte jedoch vor allem der 300 CD, der 1977 als weltweit erstes Coupé mit Fünfzylinder-Diesel debütierte und 1981 durch den 300 CD Turbodiesel getoppt wurde. Über 15.000 Fahrzeuge dieser bis 92 kW/125 PS entwickelnden Turbodiesel wurden in Amerika abgesetzt, wo die gemächliche Beschleunigungszeit von rund 17 Sekunden auf das dort damals illegale Tempo von 100 km/h irrelevant war. Dafür kompensierte der Benz seinen hohen Kaufpreis durch die Knauserigkeit eines amerikanischen Kleinwagens: Gut acht Liter auf 100 Kilometer genügten dem Diesel laut Medienberichten. Diese Kennziffer gab auch einen Hinweis auf den eigentlichen Zweck der Mercedes-Dieseloffensive in den USA: Es galt den gesetzlich vorgegebenen Flottenverbrauch zu senken. In Europa kamen die zweitürigen Selbstzünder nicht in den Handel, hier dauerte es Jahrzehnte länger, bis mit Volvo 780 oder Peugeot 406 Diesel-Coupés Karriere machten.

Mercedes-typisch mussten die Coupés auch in der Sicherheitstechnik Meilensteine setzen. Waren es bei den C-123-Typen die Optionen ABS (ab 1980) und Fahrer-Airbag (ab 1982), gab es die leistungsstärksten C-124-Coupés von Beginn an serienmäßig mit Airbag. Schließlich sollten die Spitzentypen 300 CE bzw. 300 CE-24 (ab 1989 mit Vierventil-Sechszylinder und 162 kW/220 PS) den Signalen der S-Klasse-Coupé-Werbung folgen und „Der Erste unter den Besten“ sein. In der Welt weniger asiatischer und amerikanischer Wettbewerber (etwa Honda Legend Coupé, Mazda MX-6 und Chrysler Le Baron) und noch seltenerer europäischer Rivalen (Rover 827, Volvo 780) platzierten sich die Mercedes 230 CE bis 320 CE tatsächlich nicht als 'Primus inter Pares', sondern als Bestseller, die als bis dahin meistverkaufte Mercedes-Coupe aller Zeiten die Gegner überstrahlten.

Dazu trugen auch Erfolge auf den Exportmärkten bei, die Mercedes einmal mehr mit speziellen Motoren belieferte. Diesmal gab es für Italien einen 2,0-Liter-Vierzylinder im 200 CE, mit dem die Schwaben den Vorgaben des italienischen Fiskus folgten. Die leistungsstärkste Coupé-Variante war dagegen ab September 1993 der E 36 AMG mit 195 kW/265 PS kräftigem 3,6-Liter-Vierventilmotor und Tempoabregelung bei 250 km/h. Mit Einführung des E 36 AMG erfolgte übrigens auch die Umbenennung aller anderen Typen auf die bis heute gültige Nomenklatur E-Klasse. Wurden die Coupés in der Ära des C 124 von der Fachwelt noch oft totgesagt, sieht das heute anders aus. Das in diesem Jahr lancierte Mercedes E-Klasse Coupé der Serie 238 startet gleich gegen eine ganze Phalanx an Konkurrenten, Beaus, von denen jeder der Schönste sein will.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Daimler/SP-X

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