Der sogenannte Ruhetag in Boliviens Hauptstadt La Paz hatte durchaus unterschiedliche Facetten. Während die Fahrerteams einerseits mal etwas länger die Füße hoch legen konnten, aber Freunden und Journalisten endlos viele Fragen wie war's in den ersten 6 Tagen…? beantworten mussten, hatten die Schrauber alle Hände voll zu tun. Nicht nur die Blessuren der vergangenen Tage mussten beseitigt werden, sondern auch Vorsorge für die Montagsprüfung, die eine Marathonetappe werden sollte, zu betreiben. Am Ende des Tages war kein technischer Service im Camp erlaubt, kein Mechaniker durfte in die Nähe der Rennautos kommen. Nur Fahrer und Copilot. Folglich war die Devise des 7. Renntages, einen Rhythmus aus Besonnenheit und Verwegenheit zu finden, um die Fahrzeuge heil und dennoch schnell ins Tagesziel zu bringen. Es galt also, den alten Afrika-Dakar-Satz Auf ein Loch folgt garantiert das nächste zu beherzigen. Wer das am erfolgreichsten schaffte…
Nur noch 161 Wertungskilometer blieben vom Plan des Veranstalters übrig, von ehemals 322 plus 300 km Verbindungsstrecke. Sébastien Loeb lässt nicht locker, lässt Peterhansel nur um wenige Meter wegfahren, wird Zweiter. Dahinter formiert sich, fast wie abgesprochen, die kleine Schar handfester Verfolger, die sich noch Chancen auf das Podest ausrechnen: de Villiers, Hirvonen und Roma. Aus dem Peugeot-Trio wurde ein Duo, da Désprés sich einen Verlust von guten 9 Minuten erlaubte. Der verflixte 7. Tag brachte allerdings einigen anderen, die fast schon abgeschrieben waren, neue Körner, eben: de Villiers, Hirvonen und Roma. Der Finne war ja durch einen kapitalen Navigationsfehler am Vortag mit 45 Minuten ins Hintertreffen geraten, de Villiers sogar mit einer satten Stunde.
Der einzige, der sich kaum Schnitzer leistet, aber immer schön unter den Top Five flott durchkommt, ist Nani Roma, der ja keinen Teamgefährten hat, welcher ihm helfen könnte. Dafür wurde er nun, weil Al Attiyah seinen Platz im Toyota Gazoo Team unfreiwillig abgetreten hatte, vom Gazoo-Teamchef Glyn Hall quasi geadelt und wird von den Südafrikanern im Servicecamp neben dem Zimbabwer Conrad Rautenbach, der seine erste Dakar bestreitet, mitbetreut. Schöne Geste.
In den bolivianischen Höhen von durchschnittlich 3.400 Metern verlieren die Sauger-Benziner, darunter die V8-Triebwerke bei Toyota, 30-40 Prozent ihrer Leistung, sind also statt mit knapp 400 nur noch mit etwa 260 PS unterwegs. Die Turbodiesel von Mini (X-raid) und Peugeot weisen da spür- und messbar weniger Verluste auf.
Al Rajhi, der John Cooper Works-Pilot (306), hängt ob seiner 12-Stunden-Zeitstrafe, trotz beherzter Aufholjagd, noch immer auf Rang 35 fest, immerhin einer der Co-Favoriten zu Beginn. Die Dienstags-Etappe führte vom bolivianischen Uyuni ins argentinische Salta, was ja bereits öfter in den letzten Jahren Garnisons-Stadt der Rallye war. Die zweitlängste Etappe der Rallye schlängelt sich aus den Höhen Boliviens in humanere Gefilde, wo es langsam wieder wärmer wird, durch farbenfrohe, enge Canyons und durch wasserreiche Flüsse. 492 Kilometer, die, wie in früheren Jahren, bereits markante Vorentscheidungen generieren können.
Text: Frank Nüssel/CineMot
Fotos: Teams