Test-Tour: Nissan e-NV200 Kastenwagen

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Das Thema Elektro-Fahrzeuge ist entweder ein hoch emotionales oder es berührt viele Menschen so gut wie gar nicht, weil ein Fahrzeug ohne Verbrennungsmotor aus mehreren Gründen für sie nicht in Frage kommt. Weniger Emotionen statt harten wirtschaftlichen Kalküls spielen die Elektro-Fahrzeuge auf dem gewerblichen Sektor: Dort sind die Voraussetzungen für das E-Mobil grundsätzlich verschieden gegenüber denen im Privatkundenbereich: Oft sind die Strecken besser planbar, die Einsatzzeiten festgelegt, ist das Verhältnis zwischen finanziellem Aufwand bei Anschaffung und Unterhaltung sowie dem ökonomischen Betriebsergebnis in festem Zahlenmaterial festzuzurren. Um ein solches Fahrzeug geht es in unserer heutigen Testtour: Dem Nissan e-NV200 Kastenwagen.

Nach dem kompakten Leaf ist der Nissan e-NV200 das zweite reine Stromauto des japanischen Autobauers. Ihn gibt es entweder als Familienvan oder als Kastenwagen fürs Gewerbe. Der Leaf ist zurzeit das meistverkaufte Elektroauto weltweit – sein Stromantriebsstrang ist auch die technische Grundlage des Kastenwagen NV200. In diesem Falle ist die zweisitzige, verblechte Elektro-Variante für Handwerker und Lieferanten gedacht. Im gleichen Atemzug sollen aber auch Hotels, Transport-Unternehmen und Taxi-Betreibe die Version „Evalia“ in Anspruch nehmen. Die gib es derzeit nur in der Topausstattung „Tekna“. Die aus dem Leaf stammende Elektro-Technologie hat sich in ein paar 100.000 Fahrzeugen bewährt: Der Stromer leistet 109 PS und arbeitet als Fronttriebler. Er verfügt über eine Reichweite von knapp 160 Kilometern. Seine elektrische Leistung schöpft er aus einem Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 24 Kilowatt-Stunden. Für den Alltagsbetrieb in einem Dienstleistungs-Unternehmen ist das absolut ausreichend. Völlig aufgeladen werden kann der Nissan e-VN200 an der Haushaltssteckdose in 8 bis 10 Stunden. Mit einer Schnellade-Station stehen nach 30 Minuten rund 80 Prozent der elektrischen Leistung wieder zur Verfügung.

Der Elektro-Lieferwagen war in unserem Falle derart ausgestattet als müsse er einen ganz normalen Arbeitstag absolvieren. Das heißt, er war mit zwei Euro-Paletten, die allerdings leer waren, beladen. Insgesamt kann der Nissan e-NV200 je nach Variante zwischen 570 und bis zu 770 Kilogramm aufnehmen. Insgesamt beträgt das Ladevolumen 4,2 Quadratmeter.

Vom Start weg ist der Elektro-Lieferwagen – wie alle Elektro-Fahrzeuge – ohne Antriebsverzögerung sofort da, bietet das volle Drehmoment. Damit hatten wir bei dieser Antriebstechnik allerdings gerechnet. Die Höchstgeschwindigkeit des e-Transporters gibt Nissan mit 123 km/h an. Die Beschleunigung von Null auf 100 km/h soll in 14 Sekunden erfolgen. Soweit die Theorie. Wie jedoch wird sich das etwa 1,5 Tonnen schwere Gefährt im Asphalt-Dschungel einer deutschen Großstadt, in der wir das Fahrzeug fuhren, bewähren? Diese Frage bewegte uns weitaus mehr.

Nun, der e-NV200 fuhr sich nicht wie ein sperriger Kastenwagen, wenngleich er natürlich dessen Dimensionen aufwies. Das Gewerbe-Fahrzeug profitierte vor allem von seinem niedrigen Schwerpunkt. Dafür sorgt der Akku im Bodenbereich der Fahrzeugmitte. So war das Fahrverhalten des japanischen Kleintransporters mit Elektroantrieb fast als „schwerelos“ zu bezeichnen. Wir hatten das Gefühl, als schwämmen wir im dichten Großstadtverkehr wie mühelos mit. Wank- oder Neigebewegungen auch in kleinen Seitengassen, die wir etwas forsch anfuhren, waren kein Thema.

Doch auch bewährte Ausstattungs-Elemente aus Verbrenner-Varianten finden sich in dem e-Fahrzeug. Das gilt vor allem für die aktive und passive Sicherheitsausstattung mit Assistenzsystemen wie mehreren Airbags, dazu Antiblockier-Bremssystem (mit elektronischer Bremskraftverstärkung. Auch der Schleuderschutz ESP ist serienmäßig mit an Bord. Auf der Höhe der Zeit ist der Wagen mit Ausstattungs-Features wie Licht- und Regensensoren, Tempomat oder Nebelscheinwerfer. Gerade für Fahrer, die in der Stadt viel aus- und einladen und in winkligen Gässchen rangieren müssen, ist die optionale Rückfahrkamera eine echte Erleichterung.

Im Interieur vermisst der Gewerbe-Treibende nichts, was er zu seinem Alltagseinsatz bräuchte. Hohe Ablagemöglichkeiten unterhalb des Dachs nehmen sperrige Frachtpapiere und ähnliche Dokumente auf. Ansonsten fehlt es auch an den üblichen Vorrichtungen wie Staufächern unter den Sitzen, Cup-Holdern, oder Verzurr-Ösen im Frachtraum nicht. Als besonders praktisch empfanden wir den Beifahrersitz: Wenn dieser Sitz leer ist, kann er umgeklappt und als zusätzliche Schreibfläche mit diversen Ablagemöglichkeiten genutzt werden.

Der Einstiegspreis des Nissan e-NV200 als Kastenwagen liegt bei 20.100 Euro mit Batteriemiete. Kauft man dagegen die Batterie, werden 25.058 Euro für die Basisversion fällig. Die Folgerichtigkeit einer Anschaffung ist letztendlich eine Rechenaufgabe. Konventioneller Kraftsoff ist teuer und entfällt. Genauso wie Kfz-Steuer, Ölwechsel oder Getriebewartung. Aber auch ein solches Fahrzeug amortisiert sich im Vergleich zum Verbrenner nur über seine Einsatzzeiten und die Betriebsbedingungen. Und die sind von Fall zu Fall sehr unterschiedlich.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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