Böhmische Spezialitäten zu Billigpreisen, das ist seit 120 Jahren das Erfolgsrezept des Fahrzeugherstellers Škoda bzw. seines Vorgängerunternehmens Laurin und Klement, kurz L&K. Zunächst als Fahrräder, Voiturette-Kleinwagen oder Repräsentationsmodelle von L&K, dem größtem Autobauer in Österreich-Ungarn. Dann als tschechische Volksautos in Form von Škoda Popular oder Octavia, aber auch als luxuriöse Superb-Limousinen und Motorsportlegenden á la 130 RS. Immer mussten die Modelle relativ erschwinglich sein und dennoch technische Maßstäbe setzen. Wobei letzteres dann aber doch nicht kontinuierlich gelang. Schließlich galt es für Škoda, vier Jahrzehnte sozialistischer Planwirtschaft zu überwinden, ehe als Volkswagen-Marke bis dahin nicht für möglich gehaltene Produktionsrekorde erzielt wurden. Passend zu gleich drei großen Jubiläen – 120 Jahre Unternehmensgründung, 110 Jahre Automobilbau und 90 Jahre Autos mit Škoda-Signet – zählt Škoda heute sogar zum kleinen Club der Marken, die mehr als eine Million Fahrzeuge pro Jahr fertigen.
Zu den Besten zählen wollte das böhmische Unternehmen L&K von Beginn an. Genau aus diesem Grund wurde es 1895 im böhmischen Jungbunzlau, dem heutigen Mladá Boleslav, von Václav Laurin und Václav Klement gegründet. Der Buchhändler Klement hatte sich damals zu oft über die Unzuverlässigkeit seines Fahrrades aus deutscher Produktion geärgert und deshalb den Fahrradmechaniker Laurin überzeugt, eine eigene Fahrradfertigung einzurichten. Tatsächlich wurden die Zweiräder des Typs Slavia ein voller Erfolg, ebenso die ab 1899 gebauten Motorräder.
Sechs Jahre später präsentierte L&K sein erstes Automobil, eine kleine Voiturette mit sieben PS starkem 1,0-Liter-Zweizylinder-Motor: der Start zum Aufstieg in die Liga der renommiertesten Automobilbauer Europas. Rund 60 verschiedene Modellreihen aller Klassen präsentierte L&K in den folgenden zwei Jahrzehnten, die zeitweise weltweit vertrieben wurden. Dazwischen lagen die wirtschaftlichen dunklen Jahre während und nach dem Ersten Weltkrieg. Der für L&K überlebenswichtige große Markt der untergegangenen Monarchie war auf das Gebiet der neu entstandenen Tschechoslowakei geschrumpft und ein Export vorläufig kaum möglich. So erhielten die Unternehmensgründer Laurin und Klement am 20. Juli 1925 die Zustimmung der Aktionäre zu der bereits einen Monat zuvor vollzogenen Fusion mit dem Rüstungs- und Maschinenbaukonzern Škoda. Damals schien dies die einzige Chance, um gegen die einheimischen Wettbewerber Tatra und Praga zu bestehen, beide bereits Töchter großer Mischkonzerne.
Während die Fahrrad- und Motorradproduktion nun endete, gelang mit dem Kapital von Škoda in den folgenden Jahren ein erfolgreicher Neuaufbau der Automobilproduktion. Zunächst übrigens unter gleich zwei Markenzeichen, denn Laurin und Klement sollte noch nicht sterben. Als aber Škoda 1930 die damals in Europa noch fortschrittliche Fließbandproduktion einführte, stand das seit 1926 verwendete Pfeil-Logo schon nur noch für Škoda. Zum ersten echten Volksfahrzeug für die Massenmotorisierung der Tschechoslowakei wurde ab 1934 der preiswerte Popular mit gewichtssparendem Zentralrohrrahmen. Aber auch alle anderen Modellreihen aus Mladá Boleslav wie Rapid, Favorit und das noble Sechszylinder-Flaggschiff Superb wurden mit eleganten Formen und vergleichsweise günstigen Preisen europaweite Verkaufserfolge.
Ein Aufschwung, dem der Zweite Weltkrieg ein radikales Ende setzte. War Škoda während des Krieges zwangsweise Teil des deutschen Rüstungskonzerns Reichswerke Hermann Göring, folgten schon ab Ende 1945 Verstaatlichung und Vorgaben der Planwirtschaft. Das spiegelte sich im neuen Namen AZNP Škoda (Automobilwerke Nationalbetrieb Škoda), unter dem die aufgefrischten Vorkriegstypen Škoda 1101 ausgeliefert wurden. Anschluss an die Avantgarde fand Škoda erst wieder mit dem Typ 1200, der sich schon 1952 im modischen Ponton-Designs zeigte. Die perfekte Basis für eine Bestsellerkarriere und den ersten globalen Exporterfolg eines osteuropäischen Nachkriegsmodells. Škoda-Fahren war nun wieder schick, auch in Deutschland, wo besonders das elegante Cabriolet Felicia für Furore sorgte, aber auch der Auftritt der Limousine Octavia nicht nur von Knauserigkeit kündete. Ganz im Gegensatz zum Einstiegs-Preis von 3.995 Mark, mit dem Škoda 1964 warb und mit dem die Tschechen das Ziel verfolgten, die billigste aller Vierzylinder-Limousinen anzubieten.
Im gleichen Jahr war es jedoch vorbei mit dem Fortschritt. Der neue 1000 MB setzte auf die Kombination von Hinterradantrieb und Heckmotor so wie der VW Käfer und konservative Kleinwagen. Obwohl Škoda mit mehreren Heckmotor-Modell-Generationen in den folgenden zwei Jahrzehnten zahlreiche Motorsporttriumphe erzielte und in den osteuropäischen Verkaufscharts immer vordere Plätze belegte, konnten die Limousinen und Coupés in den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs tatsächlich nur noch über den Preis abgesetzt werden.
Zurück in die Zukunft fand Škoda erst in den Jahren, als die gleichnamige Kinofilm-Trilogie zum Kassenschlager wurde. Favorit hieß die erste kompakte Frontantriebslimousine mit Heckklappe, deren endgültige Form 1985 vom italienischen Stylisten Bertone umgesetzt wurde und die 1987 in Serie ging. „Škoda vor Lada und Wartburg“, resümierte die deutsche Fachpresse in den ersten Vergleichstests, die 1990 nach dem Fall der Mauer veröffentlicht wurden. Ein Votum, das bezeichnend war für die Wertschätzung, die Škoda genoss. Als das Unternehmen im selben Jahr zum Verkauf angeboten wurde, interessierten sich mit BMW, Renault und Volkswagen gleich drei Konzerne für die Übernahme des tschechischen Autobauers. Die Entscheidung der Prager Regierung fiel zugunsten der Wolfsburger, die Škoda 1991 als vierte eigenständige Marke in den Konzern integrierten und innerhalb weniger Jahre unter den Top Ten der europäischen Autoherstellern etablierten.
Ein selbst die Fachwelt verblüffendes Kunststück, das in dieser Form niemand, auch nicht Dacia, wiederholen sollte. Richtig abheben konnte Škoda unter VW als 1994 der Favorit zum Felicia weiterentwickelt wurde und zwei Jahre später der Octavia vorgestellt wurde. Dieses Kompaktklasse-Modell auf Golf-Plattform lief in einem neuen Werk vom Band und war Symbol für Aufschwung und Imagewandel der Marke. Für den VW-Konzern ist Škoda seitdem ein Garant für Erfolgsmeldungen – und ein Rivale der Muttermarke. Nebenbei demonstrierte Škoda der spanischen Schwester Seat, wie Autos für die Massen unwiderstehlich werden. Zumal Škoda auf der iberischen Halbinsel zeitweilig sogar das Taxi- und Behördengeschäft im Visier hatte. Schon mit den beiden Baureihen Fabia und Octavia verkaufte Škoda mehr Autos als manche Marke mit großem Programm. Als die Tschechen ab 2005 ein Modellfeuerwerk zündeten, das heute bereits acht Baureihen umfasst, eroberten sie dauerhaft Rang eins unter den Importeuren der deutschen Verkaufscharts, vor allem aber eine starke Position auf den Wachstumsmärkten China und Indien. Grund genug zum Feiern.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Škoda/SP-X