Ford: 90 Jahre in Deutschland

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Henry Ford gefiel sich in der Rolle des Vordenkers und Visionärs. Weshalb es für ihn feststand, das erste Volksauto der Welt, sein legendäres Modell T, nicht nur nach Deutschland zu exportieren, sondern dort auch zu produzieren. Allerdings musste er für den Eintrag der Ford Motor Company ins Berliner Handelsregister bis zum 18. August 1925 warten, denn erst dann hob die Reichsregierung eine Einfuhrsperre für ausländische Fahrzeuge auf. Zu spät für eine deutsche Erfolgsstory des ersten aller Fließbandautos, war das Modell T mit Montagebeginn 1926 im Berliner Westhafen doch bereits am Ende seines Lebenszyklus angekommen. Als Henry Ford jedoch auf Betreiben des damaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer im Oktober 1930 den Grundstein für ein neues Werk am Rhein legte, war endlich Gigantismus angesagt. Nach Fords Plänen sollten die Bänder in Niehl jährlich eine Viertelmillion Fahrzeuge liefern – das Dreifache der deutschen Gesamtproduktion jener Jahre. Von solchem Volumen blieb Ford im wirklichen Leben zwar vorläufig weit entfernt, aber immerhin gelang im Jahr 1938 mit 38.000 Einheiten der Sprung auf Platz drei in der deutschen Pkw-Produktion, während es in der Lkw-Fertigung sogar Rang zwei wurde.

Weg vom Rhein, das wollte der Detroiter Konzern nun nicht mehr. Heute sitzt deshalb sogar die Ford-Europa-Zentrale mit Blick auf den wichtigsten westeuropäischen Wasserweg. Rhein-Verbundenheit demonstrierte auch Henry Ford II, der Enkel des Unternehmensgründers, als er mit einem klar geäußerten „No!“ nach dem Zweiten Weltkrieg die einzigartige Chance zur Übernahme des kompletten deutschen Fahrzeugbaus ausschlug. Dabei hatten die Pläne der Alliierten 1945 eine Zweiteilung der deutschen Automobilproduktion vorgesehen: Ford sollte alle Lkw und Volkswagen sämtliche Pkw bauen, Henry Ford II aber Wolfsburg in eigener Regie führen. Lieber jedoch konzentrierte sich Ford auf den Wiederaufbau des Kölner Werks.

Wahrscheinlich wollte Henry Ford II einfach keine Fehler seines Großvaters wiederholen, der einst so lange an seinem Model T festgehalten hatte, bis es sich überlebt hatte. Ähnlich gestrig wirkte nämlich auf Ford II nach einer Probefahrt der Käfer. Stattdessen wollte der Konzernlenker mit Detroiter Design-Meilensteinen made in Cologne die deutsche Autolandschaft verjüngen und vorantreiben. Waren es in den 1930er Jahren die Typen V8 und Rheinland, deren Formen aus Amerika exportiert wurden, gab es mit dem Ford Köln erstmals ein Projekt, das weit in die europäische Zukunft wies. Ausgerechnet dieses erste deutsche Volumenmodell trug Kleider made in England, denn die britische Ford-Niederlassung hatte mit ihrem Typ „Y“ ein Europamodell konzipiert, das in zehn Ländern gleichzeitig gebaut wurde. Die erste Idee eines paneuropäischen Einheitsmodells, die jedoch erst ab Ende der 1960er Jahre konsequent ausgebaut wurde.

Bis dahin blieb es ansonsten bei Ford-Fahrzeugen nach US-Vorbild, die sich je nach europäischer Filiale differenzierten. Immerhin wurde in Köln bereits Ende der 1940er Jahre eine eigene Designabteilung aufgebaut, die von Otto Huckenbeck geführt wurde. Ab 1949 leitete er die Entwicklung des ersten Nachkriegsmodells, des drei Jahre später gezeigten Wirtschaftswunderfahrzeugs Taunus 12 M mit markanter Weltkugel als Logo. Wobei Huckenbeck gehalten war, US-Designskizzen an den europäischen Geschmack anzupassen. Erfolgreich wurde der bis 1962 gebaute 12 M gleichwohl, zumal er mit mehr Luxus und Leistung auch als 15 M angeboten wurde. Damit konnte die große Zielgruppe der Handelsvertreter und Kaufleute jetzt dem Opel Rekord die Rückleuchten zeigen, denn der 40 kW/55 PS kräftige Ford 15 M passierte beim Standardsprint die 100-km/h-Marke schon nach 19 Sekunden. Als dann auch noch 1957 ein 17 M in amerikanischen Formen das Angebot komplettierte, baute Ford Deutschland erstmals über 100.000 Fahrzeuge pro Jahr.

Mehr als eine halbe Million Autos jährlich und über 18 Prozent Marktanteil gab es für Ford 1965 zu feiern. Endlich konnten die Kölner nun Opel in allen Klassen richtig unter Druck setzen. Dazu beigetragen hatte sogar ein aufgezwungener 12 M, der ursprünglich einmal als Ford Cardinal in den Vereinigten Staaten hatte verkauft werden sollen. Mit der avantgardistischen Linie der Vernunft beim Ford Taunus 17 M (P3) „Badewanne“ schrieb die Kölner Division des US-Konzerns ab 1960 europäische Designgeschichte, mit den 1964 eingeführten Nachfolgern Taunus 17 M/20 M (P5) gab es dagegen wieder mehr Größe und amerikanischen Glamour in der Mittelklasse. Ganz nach dem Wirtschaftswunder-Motto des nun amtierenden Bundeskanzlers Ludwig Erhard: „Wohlstand für alle“. Erstmals vermittelten jetzt V6-Motoren im 20 M einen Hauch Oberklasse, während Sportcoupés wie der Ford Osi im italienischen Designerdress an Maranello und Modena denken ließen. Auf der IAA 1965 konnte gefeiert werden: Fords Volkshelden waren die Nummer eins in der Mittelkasse-Zulassungsstatistik.

1968 dann der nächste Schritt: In Köln wird ein europäisches Ford-Zentrum für Forschung, Design und Entwicklung gebaut, die europäischen Modelle werden vereinheitlicht. Erste Ergebnisse dieser Modellpolitik sind der kleine Ford Escort, der 1970 aus neuem Werk im Saarland zum Herausforderer des Opel Kadett wurde, der Capri als aufregendes Sportcoupé für Familienväter und Rallyechampions (ab 1969) und der große Granada, der den Sechszylinder-Kombi endgültig gesellschaftsfähig machte (ab 1972). Hinzu kommen der Fiesta als 1976 weltweit modernster Kleinwagen, der stromlinienförmige Sierra (ab 1982) und der avantgardistische Granada-Nachfolger namens Scorpio (ab 1985). Nicht zu vergessen eine erfolgreiche Nutzfahrzeugreihe, die seit 1965 als Transit in ganz Europa Anspruch auf die Verkaufsführerschaft bei den Transportern erhebt. Vorbilder für neue Design- und Fahrzeugkonzepte liefert Ford bis heute, wie zuletzt der S-Max zeigte, dessen Crossover-Konzept von Konkurrenten wie etwa dem jüngsten Renault Espace übernommen wird.

Das amerikanische blaue Ford-Logo dürfen die deutschen Ford übrigens erst wieder seit 1976 tragen, vorher zierten Symbole wie der Dom und das Kölner Stadtwappen die Markenschilder. Was die meisten Deutschen nicht davon abhielt, das amerikanische Unternehmen stets als einheimischen Hersteller zu betrachten. Ein Autobauer, der im Laufe der Jahrzehnte Höhen und Tiefen erlebte, ebenso wie fast alle Wettbewerber, sich aber passend zum 90. Jubiläum auf einem anhaltenden Steigflug befindet. Ganz im Sinne von Unternehmensgründer Henry Ford I: „The German people will make a good job of it”, prophezeite der Automobil-Pionier 1930 zur Grundsteinlegung des Kölner Werks.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Ford/SP-X

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