Eigentlich war ich schon fertig mit dem Buch, da kommt dasFräulein vom Verlag und sagt: «Frau Bergmann, da müssenwir noch mal dran. Wir müssen die Figuren vorstellen, damitdie Leser gleich verstehen, worum es geht.»Figuren! Da geht mir der Hut hoch. Das sind meine Familie,meine Freunde und Bekannten! Aber die Gute hat jarecht, es ist wohl besser, wenn ich Ihnen kurz erzähle, mitwem Sie es hier zu tun kriegen. Wissense, nichts ist einem jaunangenehmer, als wenn man auf einer Feier oder einer BeerdigungLeute trifft und sie einem nicht vorgestellt werden.Da weiß man gar nicht, was man von den Menschen denkensoll.
Renate Bergmann ist 82 und mehrfache Witwe. Diese Tatsache mag sie, neben diversen Zipperlein des Alltags, an ihr Alter erinnern. Die Freude am Leben nimmt das Alter ihr nicht. Von wegen: Alt werden wollen alle, alt sein will niemand. Renate nimmt's als Gegebenheit und macht das Beste draus.
Dazu gehört, dass sie eifrig twittert. Und aus dieser Beschäftigung ist ein klassisches Buch aus Papier geworden. Üblich ist ja der andere Weg – erst eine Druckausgabe, dann ein e-Book. Oder beides parallel. Aber was ist schon üblich im Leben einer Frau, die den ganz normalen Alltag so herzhaft trocken kommentieren kann, dass selbst scheinbare Banalitäten einen Lachanfall auslösen.
Aber – so banal ist das alles gar nicht. Mit 82 noch zu erleben, dass die Tochter als Heilpraktikerin für Kleintiere arbeitet, ein Verehrer ihr den Lebensabend ohne männliches Pendant unmöglich macht, ihre beste Freundin auch dann eine solche geblieben ist, als die beiden diesbezüglich in jüngeren Jahren denselben Geschmack hatten, dass es Menschen gibt, die statt toter Tiere lieber Ersatz aus Sojabohnen essen … Was Renate erlebt und wie sie's erzählt, wird sicher jeden Mediziner erfreuen, erst recht ihre Hausärztin. Es heißt doch immer, dass eine Voraussetzung für Gesundheit im Alter das tägliche Training der Gehirnzellen sei. Ist sogar wissenschaftlich erwiesen. So gesehen, könnte Renate Bergmann ein dreistelliges Alter erreichen. Aber locker!
Renate Bergmann: Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker. Deutscher Taschenbuch Verlag; 9,99 Euro.