Für Statistiker ist der 13. Juni 1950 der offizielle Beginn der Formel 1, denn an diesem Tage wurde auf dem ehemaligen Militär-Flughafen im britischen Silverstone das erste Rennen einer neuen Serie ausgetragen, die die bereits 1946 gegründete „Fédération Internationale de l’ Automobile“ (FIA) ins Leben gerufen hatte. Im Reglement dieser Serie wurde zum ersten Mal der Begriff Formel 1 erwähnt. Zugelassen waren damals Fahrzeuge mit einem Hubraumvolumen von maximal 1.500 ccm für aufgeladene Motoren und 4.500 ccm für Sauger-Triebwerke. Limitierungen hinsichtlich Gewicht oder Leistung gab es nicht.In der Regel waren die Fahrzeuge, die in den allerersten Formel-1-Jahren antraten, jene Einsitzer, die auch schon in den letzten 1930er Jahren vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges eingesetzt worden waren. Die ersten Motorsport-Ereignisse nach dem unseligen Völkermodern erschöpften sich in Langstrecken- oder Straßenrennen, die jedoch keine Plattform für die Monoposti mit ihren frei stehenden Rädern boten. Für das Jahr 1950 hatte die FIA schließlich fünf Teams dazu gewinnen können, sich an der neuen Meisterschaft unter dem Namen „Formel 1“ zu beteiligen: Alfa Romeo, Ferrari, Maserati, Talbot und Gordini.
Nachdem der Grandprix-Sport wegen der Kriegswirren über ein Jahrzehnt lang am Boden lag, traten auch neue Fahrer in Erscheinung. Die alte Garde der Achille Varzi, Tazio Nuvolari oder des tödlich verunglückten Bernd Rosemeyer gehörte der Vergangenheit an. Stattdessen kamen junge Männer mit viel Mut, Hingabe und Leidenschaft für den Motorsport hinzu: Die beiden Italiener Farina und Ascari, die heißblütigen Argentinier Fangio und Gonzales, der Franzose Chiron, die Briten Parnell und Moss. Deutsche Piloten waren fünf Jahre nach dem Ende des Hitler-Regimes noch nicht am Start.
Die ersten Auseinandersetzungen in der neuen Serie wurden geprägt von der Dominanz der „Alfisti“. Alfa Romeo, das zunächst mit dem früheren Erfolgsmodell Alfetta Tipo 158 und dann mit dem Nachfolgemodell 159 antrat, gewann alle Rennen des Jahres 1950. Das System, nach welchem der erste Formel-1-Weltmeistertitel vergeben wurde, war arithmetisch sehr einfach: Es gab acht Punkte für den Sieger bis hinunter zu zwei Punkten für den Viert-Platzierten. Dazu wurde ein Sonderbonus von einem Punkt für den Fahrer ausgeschüttet, der die schnellste Rennrunde absolviert hatte.
Der promovierte Naturwissenschaftler Giuseppe Farina, den alle Welt nur „Nino“ nannte, wurde mit 30 Punkten aus sieben Rennen der erste Weltmeister der Formel-Geschichte auf Alfa Romeo. Die Alfetta 159 jener Tage war mit Blick auf die Leistung des kleinen Triebwerks ein technisches Monster. Der 1,5-Liter-Motor mit einem exakten Hubraum von 1479 Kubikzentimeter wuchtete stattliche 470 PS hoch. Das bedeutete eine spezifische Leistung von 278 PS pro Liter für das aufgeladene Aggregat. Schwerstarbeit für die Kolben. Zwei der im ersten Formel-1-Jahr eingesetzten Alfetta Tipo 158 hatten die Kriegswirren übrigens an einem nicht gerade Motorsport-konformen Platz heil überstanden. Auf Veranlassung von Fahrzeug-Entwickler Gioacchino Colombo hatte man die Boliden während jener Tage in einer Käse-Fabrik versteckt.
Die italienischen Teams machten in den ersten Formel-1-Jahren die Entscheidungen unter sich aus. Ferrari erwies sich bald als ebenbürtig, auch weil es mit „El Chueco“ (Das Krummbein) Juan Manuel Fangio den besten Piloten jener Jahre verpflichtet hatte. Der Argentinier, dessen fünf Weltmeistertitel bis zu Michael Schumachers sieben Erfolgen lange Zeit Rekord-Bestand hatten, war ein „Söldner“ der frühen Formel-1-Jahre. Der Südamerikaner, der heute in Bronze gegossen vor dem Eingangstor zum alten Fahrerlager des Nürburgrings steht, mutierte nach Farinas erstem Weltmeister-Titel zum ungekrönten König des ersten Formel-1-Jahrzehnts. Er triumphierte auf Ferrari, Maserati und – nach der Rückkehr der Silberpfeile – auch mit Mercedes.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Archiv Jürgen C. Braun
Quellenangabe: „Die Geschichte der Auto-Rennen“, Giuseppe Guzzardi, Enzo Rizzo, 2000; „Die Geschichte der Scuderia Ferrari“, Pino Casamassima, 1998;